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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Kinder kamen, wie es damals erwartet wurde, so vermutlich deshalb, weil er ein weitgehend abwesender Ehemann war. Nach der Hochzeit brachte er sie ins Haus seiner Mutter in Devon und reiste fast unmittelbar danach als Teilnehmer einer Expedition, die fast zwei Jahre dauerte, nach Mittelamerika. Nach seiner Rückkehr hielt er sich viel in seinem Londoner Club auf und versuchte sein nächstes Unternehmen vorzubereiten.
    Doch zu seinem Unglück veränderte sich dieser gewohnte Gang der Dinge allmählich. Während seiner Besuche in London erzählte er jedem, der es hören wollte, des Langen und Breiten von seiner Überzeugung, dass es in Afrika Pfauen geben müsse, und bald haftete ihm ein entsprechender Ruf an. Das Establishment war Exzentrikern gegenüber misstrauisch, aber mein Großvater merkte nicht, wie er zum Fanatiker wurde. 1926 verstärkte sich dieser Eindruck noch, als er den Auftrag erhielt, einen Trupp Bergbauingenieure nach Westafrika zu bringen. Seine Hauptaufgabe bestand darin, sie wohlbehalten ins Landesinnere und wieder zurück zu führen, und nach allem, was man hörte, erfüllte er diese Pflicht auch recht kompetent. Am Ende der Expedition fuhr er jedoch nicht nach England zurück, sondern machte kehrt und zog mit nur wenigen einheimischen Führern wieder in den Urwald. Obwohl Hunderte von Meilen vom Fundort der geheimnisvollen Feder entfernt, hatte er es sich in den Kopf gesetzt, die Suche wieder aufzunehmen.
    Fast zehn Monate hörte man nichts mehr von ihm, und als er endlich wieder aus dem Urwald auftauchte, war er vom Fieber zerrüttet. Eine Zeit lang schwebte er zwischen Leben und Tod, dann wurde er nach Devon zurückgebracht, wo seine Frau ihn geduldig pflegte. Unter ihrer Obhut überstand er die Krise, auch wenn er wohl nie wieder ganz zu Kräften kam. Erst knapp drei Jahre später fand er sich wieder in London ein, doch inzwischen hatte sich die Situation grundlegend geändert. Jedermann wusste von seinem ungeplanten Ausflug in den westafrikanischen Urwald, und man sah darin den Beweis dafür, dass ihm nicht mehr zu trauen sei. Zudem war die recht draufgängerische viktorianische Tradition der Entdeckungsreisen, die er verkörperte, mittlerweile aus der Mode gekommen.
    Wenn ich aus alldem etwas zu lernen hatte, so genügte die Aussicht auf einen Abend mit Gabriella, um es auf später zu verschieben. Wir trafen uns in Soho in einem schicken französischen Restaurant mit abgebeiztem Kiefernholzmobiliar, wo wir hinter riesigen Speisekarten saßen und uns über Themen unterhielten, die nichts mit Karl Anderson zu tun hatten. Gabriella war schon immer eine gute Gesellschafterin gewesen, und an diesem Abend übertraf sie sich selbst. Wir tranken Weißwein, und im Verlauf des Abends wurde sie ziemlich kühn und erzählte mir alle möglichen skandalösen und wahrscheinlich verleumderischen Geschichten über gemeinsame Bekannte. Auch als wir auf den Naturschutz zu sprechen kamen, änderte sich die Stimmung nicht. Sie beugte sich vor und spann ihre Träume, und ich fand in ihren Worten die Laute und Farben des Regenwaldes wieder. Der Wein stimmte mich wohl sentimental, denn ich merkte, dass ich sie vermisste.
    Gabriella strahlte. Es gab nach wie vor Unstimmigkeiten zwischen uns, aber an diesem Abend spielten sie keine Rolle mehr. Ungehindert strömte die alte Wärme zwischen uns. Später, als wir uns vor dem Mecklenburg Hotel verabschiedeten, kam ein Moment, den ich nicht hätte beschreiben können, eine kurze Stille, in der eine unausgesprochene Frage zwischen uns stand. Ich zögerte, und Gabriella lächelte ein wenig traurig und küsste mich dann auf die Wange.
    »Gute Nacht, Fitz«, sagte sie und ging davon. Ich stand im Dunkeln und blickte ihr nach, als sie hinter den einladenden Lichtern des Hotels verschwand.
     
    Am nächsten Tag kam Katya zurück. Da sie vorher nicht angerufen hatte, wusste ich von nichts, bis ich am Abend ihren Schlüssel im Schloss hörte. Sie wirkte müde, fast ein wenig ausgelaugt, und auch älter, was möglicherweise an ihrer Kleidung lag: In Rock und Bluse, das Haar zu einem straffen Knoten hochgesteckt, sah sie so anders aus als die Katya, die ich kannte, dass ich erst einmal zwinkern musste.
    »Was ist?«, fragte sie, als sie meine Miene sah. »Ach so, das. Mein Vater ist der Meinung, dass er mich seinen Freunden nur dann vorstellen kann, wenn ich so aussehe.<
    »Tut mir Leid«, sagte ich etwas verlegen. »Komm, setz dich, ich hol dir ein Bier.<
    »Klingt gut.« Sie

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