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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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im Winter hierher gekommen. Er ist nicht hinter dem Vogel her.«
    »Hinter was dann…?« Ich zwinkerte ihr zu und kam mir dumm vor, und es war mir peinlich, dass es mir anzumerken war. »Hinter was ist er dann her?«
    Gabriella löste meine Finger von meiner Tasse und nahm sie zwischen ihre Hände. Erst wollte ich sie wegziehen, aber dann ließ ich sie gewähren.
    »Ich sollte es dir nicht sagen«, begann sie. »Ich hab’s versprochen. Nur Karl weiß es und vielleicht noch ein paar andere Leute, die Wind davon bekommen haben.<
    »Von was?« Ich schloss meine Hand um ihre.
    »Das ist eine längere Geschichte. Hast du mal von einem französischen Künstler namens Roitelet gehört?«
    In meinem Gedächtnis regte sich etwas.
    »Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    »Niemand kennt ihn so richtig. Er war Pflanzenmaler, in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, aber das ist schon so ziemlich alles, was man weiß. An einer der großen Expeditionen hat er offenbar nicht teilgenommen, aber er muss gereist sein, denn er kam mit einer Sammlung ganz erstaunlicher botanischer Bilder zurück. Zwanzig insgesamt. Früchte, Blumen. Brillant, intelligent, wunderbar beobachtet. Sie waren anscheinend etwas ganz Besonderes. Die Pflanzenmalerei florierte damals ohnehin, aber Roitelet war der Beste weit und breit.«
    »Wieso ›anscheinend‹?«
    »Der Besitzer bewahrte die Sammlung in seinem Haus in Paris auf, und während der Pariser Aufstände wurde das Haus geplündert. Nur drei Bilder sind erhalten geblieben, und die sind unglaublich begehrt. Eines davon wurde letztes Jahr in New York versteigert. Es hat über hunderttausend Dollar gebracht.<
    Das war zwar eine stattliche Summe, aber kein Grund für einen solchen Wirbel.
    »Okay... Und was hat das mit dem Ulieta-Vogel zu tun?«
    Gabriella lächelte.
    »Da wird die Sache kompliziert. Das ganze neunzehnte Jahrhundert über kursierten Gerüchte über eine weitere Sammlung von Roitelet-Bildern, eine komplette zweite Mappe, die irgendwie nach England gelangt sein sollte. Es gibt verschiedene Quellen für diese Gerüchte, aber die wichtigste ist ein Brief, den ein gewisser Finchley um die Mitte des Jahrhunderts verfasst hat. Dieser Finchley war ein Landadliger in den Midlands und auch eine Art Gelehrter. Um 1850 schrieb er an einen Freund, der botanische Bilder sammelte.<
    Sie löste ihre Hand aus meiner und trank von ihrem Kaffee.
    »Weiter.« Mir war noch nicht klar, worauf sie hinauswollte.
    »Der Brief erzählt scherzhaft von etwas, das Finchley auf einer Fahrt durch Lincolnshire erlebt hat. Er hatte von einem Mann gehört, der ein präpariertes Exemplar eines seltenen Vogels besitzen sollte, und aus Neugier machte er den Mann ausfindig und schaute sich den Vogel an. Nach seiner Beschreibung und dem, was er darüber erfuhr, scheint es so gut wie sicher zu sein, dass es sich um den Ulieta-Vogel handelte - der offenbar noch intakt war. Aber darum geht es in dem Brief nur nebenbei. Das Faszinierende für Finchley war ein Vorfall, der sich ereignete, nachdem er den Vogel inspiziert hatte. Der Besitzer bestand darauf, die Vitrine zu öffnen, in der er ihn aufbewahrte, und Finchley einige Papiere zu zeigen, die unter dem grünen Tuch versteckt waren, auf dem der Vogel stand. Finchley konnte es kaum fassen: Es waren Bilder von Roitelet, zwölf Stück, in tadellosem Zustand, alles Studien von englischen Wildblumen. Der Mann hatte offenbar keine Ahnung, was sie wert waren, und er zeigte sich anscheinend auch nicht besonders interessiert, als Finchley es ihm mitteilte. Der Vogel sei ein Familienerbstück, erklärte er, genau wie die Bilder, und sie könnten sehr gut da bleiben, wo sie seien. Seinem Brief nach zu schließen, fand Finchley das Ganze sehr amüsant. Er versichert seinem Freund, die Sturheit des alten Mannes hätte seine großzügigen Angebote für die Bilder weit in den Schatten gestellt, und er lässt keinen Zweifel daran, dass wohl kein Reichtum der Welt die Bilder von der Stelle bewegen könnte.<
    »Verstehe...« Gabriella hatte mir gesagt, was ich wissen wollte, aber es stellte mich nicht sonderlich zufrieden. »Ist das nicht alles ein bisschen dürftig? Selbst wenn irgendwo im hintersten Lincolnshire tatsächlich eine Sammlung französischer Bilder aufgetaucht ist, dann wird sie doch auf keinen Fall noch dort sein. Und auch nicht bei dem Vogel. Generationen hatten seitdem Gelegenheit, sie zu verkaufen. Da kann alles Mögliche passiert sein. Wenn jemand über

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