Die Pflanzenmalerin
löste ihr Haar, sodass es locker um ihr Gesicht fiel, ergriff dann ein paar Strähnen und hielt sie hoch, um sie zu betrachten. »Die Kleider waren schon schlimm genug, aber dann musste ich mir auch noch Vorträge über meine Haare anhören. Die sind schwarz gefärbt. In Wirklichkeit sind sie ganz unscheinbar braun.<
In der Küche ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und schaute zu, wie ich die Bierflaschen öffnete. Plötzlich bemerkte sie den kaputten Fensterriegel. Sie sprang auf.
»Was ist passiert?<
»Es hat sich ein bisschen was getan. Ich erzähl’s dir gleich.«
»Hat schon wieder jemand eingebrochen? Hat er was mitgenommen?«
Ich schüttelte den Kopf und lächelte.
»Hier gibt’s nichts mitzunehmen.«
»Wieso dann?<
»Offenbar steckt hinter der Sache mit dem Vogel sehr viel mehr, als wir dachten. Das ist eine lange Geschichte. Aber keine Sorge, es ist alles in Ordnung. Erzähl erst mal, was du so getrieben hast. Hier, nimm einen Schluck. Es sei denn, du bist zu fein angezogen, um aus der Flasche zu trinken.«
Da lachte sie wie die Katya, die ich kannte.
»Okay, ich zuerst.« Sie reckte sich vergnügt. »Das Beste weißt du schon. Das, was ich dir am Telefon gesagt habe. Ich dachte, ich finde noch viel mehr, und war schon ganz aufgeregt, aber ich glaube, diese Papiere geben nichts mehr her, was wir wissen müssten. Deswegen hab ich auch nicht mehr angerufen. Ich hab darauf gewartet, dass ich noch auf was ganz Tolles stoße, aber da war nichts.<
»Du hast doch was Tolles gefunden. Es beweist, dass der Vogel Banks’ Sammlung überlebt hat. Und wir wissen jetzt genauer, wo wir suchen müssen.<
Sie konnte es kaum erwarten, mir von den Fabricius-Papieren zu erzählen. Ihre Müdigkeit schwand beim Reden, und sie lebte wieder auf. Die Korrespondenz, die sie durchgesehen hatte, drehte sich größtenteils um wissenschaftliche Themen. Nur sehr wenig bezog sich auf Fabricius’ Zeit in England - über diesen Teil seines Lebens hatte er sich offenbar nicht weiter geäußert -, und Banks wurde überhaupt nicht erwähnt. Außer dem Brief über den Ulieta-Vogel gab es noch zwei andere vom selben Verfasser, einem Franzosen namens Martin. In beiden ging es um Zeichnungen, die Fabricius kaufen wollte, aber der Ulieta-Vogel kam darin nicht mehr vor.
»Stört’s dich, dass ich das auf eigene Faust gemacht habe?«
»Nein, natürlich nicht.<
»Mir war nicht ganz wohl dabei. Eigentlich ist es ja deine Suchaktion. Es kam mir ein bisschen so vor, als würde ich da einfach reinplatzen...« Ihr Blick streifte mich. »Aber jetzt erzähl mal, was hier los war.<
»Hm, wo fang ich da am besten an? Die Offenbarung kam gestern, als ich mich mit Gabriella getroffen habe.«
»Ach, ja?« Sie trank von ihrem Bier, ohne mich anzusehen.
»Aber davor war ich in Lincolnshire. Und rate mal, was ich da gefunden habe?«
Katya saß ganz still, als ich ihr erzählte, wie ich in Lincoln gelandet und im Gästebuch des Hotels auf Karl Anderson gestoßen war. Sie hörte höflich zu, schien aber nicht so interessiert zu sein, wie ich erwartet hatte.
»Jedenfalls«, schloss ich, »kam am Ende nichts Großartiges dabei heraus...« Ich fasste in meine Jacke, die über meiner Stuhllehne hing. »Einmal hab ich schon gedacht, ich hätte was - hier, schau dir das an. Das ist meine Liste in Revesby geborener Frauen, deren Name mit B anfängt.<
Ich legte das Blatt auf den Tisch.
1. Jan. 1750
Mary, uneheliche Tochter von [keine Angaben]
29. Sept. 1753
Mary, Tochter von Richard Burnett & Ehefrau Elizabeth
18. April 1756
Mary, Tochter von James Browne & Ehefrau Susanna
20. Feb. 1757
Mary, Tochter von William Burton & Ehefrau Anne
18. Jan. 1761
Elizabeth, Tochter von James Browne & Ehefrau Susanna
»Ich war schon ganz aus dem Häuschen wegen Mary Burton, obwohl sie etwas später geboren ist, als ich gehofft hatte. Als ich dann noch gesehen habe, dass ihr Vater während Banks’ Reise gestorben war, dachte ich allen Ernstes, ich hätte eine heiße Spur...«
Ich sah auf und merkte, dass Katya gar nicht zuhörte. Ihre distanzierte Miene hatte sich verflüchtigt, sie starrte auf das Blatt, und ihre Lippen bewegten sich, als stellte sie irgendwelche Berechnungen an.
»Da, Fitz, schau mal!«, sagte sie aufgeregt und zeigte auf den zweiten Namen der Liste. »Das Jahr stimmt doch ungefähr, oder? Dann wäre sie sechzehn gewesen, als Banks abgereist ist, und neunzehn, als er zurückkam.<
»Ja...« Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte.
»Mary
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