Die Pforte
und er sieht das Haus. Das Haus, in dem Emily Price gewohnt hat. Nur im Wohnzimmer brennt Licht, es dringt durch das große Fenster hinaus in den Dunst. Er kann sich die beiden Menschen in diesem Zimmer genau vorstellen, vielleicht sitzen sie eng umschlungen auf dem Sofa und reden wenig oder gar nicht. Beim Gedanken daran erfüllt Travis eine brennende Scham.
Er wird an ihre Haustür klopfen. Wie es dann weitergehen wird, weiß er nicht.
6
Travis peilte in wenigen Minuten die Lage. Es konnte einiges schiefgehen, aber seiner Einschätzung nach befand er sich im Vorteil, trotz der Überzahl, mit der er es aufzunehmen hatte.
Etwa fünfzehn Meter hinter dem Lager befand sich ein dichtes Kieferngehölz. Dicht genug, um ihm Deckung zu bieten. Diese Stelle könnte er unentdeckt erreichen, wenn er, hinter die Felsen geduckt, sich auf dieser Seite des Tals weit genug entfernte, dann hinüberlief und wieder zurückkehrte.
Fünfzehn Meter waren keine Entfernung, er könnte sie von dort aus leicht überrumpeln und einfach das Feuereröffnen. Der erste Schuss würde tödlich sein, vielleicht auch noch der zweite. Dann blieben noch fünf übrig, mit denen er es aufzunehmen hatte. Er könnte ihre Verwirrung womöglich ausnutzen, um noch einen oder zwei von ihnen auszuschalten, wenn er schnell genug war. Danach aber würde es heikel werden. Die Überlebenden würden sich in Deckung retten. Wenn auch nur zwei von ihnen aus geschützter Position das Feuer erwidern könnten, bekäme er Schwierigkeiten. Vermutlich würde er sogar auf der Stelle draufgehen.
Es würde nicht reichen, sie bloß zu überraschen. Er musste sie auch in die Irre führen. Damit sie nicht in die Richtung schauten, aus der er feuern würde, sondern, mit dem Rücken zu ihm, zu der Stelle, an der er sich jetzt befand.
Er hatte den Plan im Nu gefasst, wahrscheinlich gerade weil ihm so wenig Alternativen zur Verfügung standen.
Er lehnte eins der Gewehre an einen etwa hüfthohen Felsbrocken und nahm dann einen Nylonbeutel, in dem er Kleidung zum Wechseln hatte, aus seinem Rucksack. Nachdem er die Kleidung in den Rucksack gestopft hatte, hängte er den jetzt leeren, federleichten Beutel an den Zugbändern an den Abzug des Gewehrs.
Dann legte er einen gefüllten Wasserbeutel oben auf den Fels und stach mit seinem Messer ein Loch hinein, so klein, dass das Wasser nicht hinausrann, sondern nur nach und nach rauströpfelte. Er rückte den Beutel so zurecht, dass die Tropfen direkt in dem feuchtigkeitsresistenten Nylonbeutel landeten, der sich auf diese Weise langsam mit Wasser füllen würde. Sobald er das entsprechende Gewicht erreicht hatte, würde das Gewehr sein gesamtes Magazin gen Himmel abfeuern.
Peter Campbell wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten würde.
Er blickte der schreienden Paige direkt in die Augen, während der magere kleine Dreckskerl mit dem dünnen Schnurrbärtchen ihr weiter mit dem Aktuator im Arm herumstocherte. Hin und wieder verengte sie leicht die Augen und schaffte es, trotz der Fixierung am Tisch, ganz leicht den Kopf zu schütteln. Die Botschaft war unmissverständlich: Tu’s nicht.
Aber er würde es tun. Musste es tun. Seit Stunden, das war ihm erst in den letzten Minuten richtig klargeworden, drückte er sich jetzt schon vor der Erkenntnis.
Diese Leute hatten schlichtweg gewonnen. Es kam ihnen niemand zu Hilfe – es könnte noch Tage dauern, bis jemand kam, wenn überhaupt. Dafür hatte Drummond Vorsorge getroffen.
Drummond. Er hatte dem Druck nicht standgehalten, nicht wahr? Dabei war dieser Druck nichts im Vergleich zu dem gewesen, was sie hier seit drei Tagen durchzustehen hatten. Soweit Peter wusste, hatte der Mann einen Anruf von seiner schluchzenden Frau erhalten, der an einem unbekannten Ort eine Waffe gegen den Kopf gehalten wurde. Eine Lage, in der wohl so gut wie jeder kapituliert hätte, doch von Tangent-Mitarbeitern wurde eigentlich mehr innere Stärke erwartet. Genau das war einer der Hauptgesichtspunkte, unter denen sie ausgewählt worden waren, und auf Stuart Drummonds Standfestigkeit hätte Peter sein Leben verwettet. Tatsächlich hatte er genau das getan. Und verloren.
Dass alle anderen Drummond ebenfalls vertraut hatten, und zwar blind, war ein schwacher Trost. Wem sonst wäre die Aufgabe anvertraut worden, ein Flugzeug zu steuern,das einige der wichtigsten Leute von Tangent an Bord hatte, zusammen mit dem gefährlichsten Objekt, das jemals aus dem Portal zum Vorschein gekommen war? Auf dem Flug,
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