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Die Pforte

Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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ungeachtet der Schüsse. Travis sah, dass Paige denTränen nahe war. Sie hatte verdammt starke Nerven, das wusste er, war hart im Nehmen, aber vor einer solchen Lage musste auch sie kapitulieren.
    «Es reicht nicht», presste sie mit stockender Stimme hervor. «Mit einzelnen Schüssen lassen die sich nicht aufhalten.»
    Sie wandte sich vom Fenster ab und hastete zum Eingang des Tunnels, der durch das Kabelgewirr zur Treppe führte. Travis schloss sich ihr an. Während sie durch den Tunnel hetzte, griff Paige hinter sich, zog den Reißverschluss an ihrem Rucksack auf und holte einen Gegenstand heraus, der aussah wie eine Taschenlampe mit Linsen an beiden Enden: der Verdoppler. Travis hatte sich das Ding nach der Lektüre des Berichts so ähnlich vorgestellt. Und es war doch ganz anders – so etwas hatte er noch nie gesehen: die eigentümlich schimmernde Oberfläche etwa, die Art, wie seine einzelnen Bestandteile scheinbar fugenlos zusammengefügt waren. Ein Gerät, das absolut nicht von menschlicher Hand gefertigt war.
    An der Treppe angelangt, schrie Paige nach unten: «Sechster Stock, ranghöchstes Kommandomitglied ins Treppenhaus!» Der Befehl ging im Lärm der Schüsse unter, und erst nachdem sie ihn ein weiteres Mal gebrüllt hatte, als kurz Stille eintrat, tauchte am Fuß der Treppe endlich eine Scharfschützin um die dreißig auf. Travis erinnerte sich, Miller war ihr Name. Die Ereignisse der letzten Minuten waren sichtlich nicht spurlos an ihr vorübergegangen, was wohl auch für die übrigen Schützen galt, ansonsten aber wirkte sie äußerlich ruhig.
    Paige warf ihr den Verdoppler zu und rief: «Die Schützen sollen auf Automatikfeuer wechseln! Schnappen Siesich fünf Magazine, verdoppeln Sie die, bis Sie achtzig haben, und nehmen Sie die achtzig dann als Basis, um massenhaft weitere Magazine herzustellen, genau da, wo Sie jetzt stehen. Einer von jedem Stockwerk soll sich um den Nachschub kümmern und die Schützen laufend mit frischen Magazinen versorgen. Sorgen Sie auch für reichlich Ersatzgewehre, denn bei der Belastung ist abzusehen, dass die Waffen irgendwann schlappmachen.»
    Miller nickte und eilte beflissen davon.
    Travis und Paige kehrten ans Fenster zurück. Draußen drängten sich die Menschenmassen mittlerweile auf beiden Brücken im Süden und in allen Straßen im Umkreis. Zahllose Taschenlampen blinkten im Nebel, wie brennende Feuerzeuge, die bei einem apokalyptischen Rockkonzert von der Menge in die Höhe gereckt wurden. An den Zugängen dieser Nadelöhre – der Brücken und Straßen – türmten sich inzwischen solche Berge von Leichen, dass sie endlich ein ernstzunehmendes Hindernis für die nachdrängenden Massen bildeten. Gewiss waren beim Anprall gegen diesen Wall aus Leichen auch schon etliche Menschen gestolpert und niedergetrampelt worden, die jetzt selbst einen Teil der Barrikade bildeten.
    Die Scharfschützen gaben nach wie vor gezielt einzelne Schüsse ab, sie liquidierten stets jene, die sich an die Spitze des Mobs gesetzt hatten. Eine Taschenlampe holperte über den Leichenberg am Ende der linken Brücke und kam dann mit einem Wahnsinnstempo aufs Gebäude zugerast. Ein Mensch konnte sich doch unmöglich so schnell bewegen –
    Im vierten Stock, direkt unterhalb von Travis, wurde ein Schuss abgegeben, und die im Nebel dahinrasende Taschenlampe flog auf das Kopfsteinpflaster. Gleichzeitigschrie ein Mann auf, und es schepperte unverkennbar, während ein Fahrrad zu Boden knallte.
    Die Leichenberge boten nur bedingten Schutz. Wenn nicht bald das Automatikfeuer einsetzte, würde die etwa fünfzehn Meter tiefe Pufferzone um das Gebäude herum nicht mehr lange zu halten sein.
    Travis hörte jemanden vor Schmerzen jammern, irgendwo unten im Dunkel. Der Mann mit dem Fahrrad. Er lebte noch. Seiner Stimme nach zu urteilen, war er jung, kaum älter als zwanzig. Sein Jammern klang so qualvoll, dass sich Travis der Magen umdrehte. Im Mondlicht konnte er sehen, dass auch Paige die Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. Das Jammern des Sterbenden ging in lautes Schreien über, er wiederholte immer wieder ein einzelnes Wort auf Deutsch. «Bitte! Bitte!» Offenbar flehte er darum, von seinen Qualen erlöst zu werden. Paige holte ein Nachtsichtgerät aus ihrer Weste und befestigte es vor ihren Augen. Dann lehnte sie sich aus dem Fenster, legte ihr Gewehr an und zielte nach unten. Sie feuerte ein einziges Mal, und der Mann verstummte augenblicklich.
    Sekunden später setzte das Automatikfeuer

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