Die Pforte
den Raum im obersten Stock des Hauses ein.
Dort war es noch genauso hell wie zuvor. Das Licht, das von dem Ares ausstrahlte, war so gleißend grell, dass es nahezu weiß wirkte. Vorhin, bei ihrem überstürzten Aufbruch, war keine Zeit gewesen, sich in dem Raum genauer umzusehen, und das holten sie jetzt nach. In der Mitte des Raumes kam aus dem Boden ein dichtes Knäuel aus Drähten und Kabeln zum Vorschein, die zu einem Gebilde verflochten waren, das an ein Adlernest erinnerte. Das Licht drang aus der Vertiefung in der Mitte hervor. Travis musste die Augen mit der Hand gegen die gleißende Helligkeit abschirmen, bevor es ihm aus etwa drei Metern Entfernung gelang, einen Blick hineinzuwerfen.
In dem Nest befanden sich zwei Gegenstände. Zumeinen der Ares, zum anderen ein tiefschwarz glänzender Kubus von etwa dreißig Zentimetern Kantenlänge. Weder oben noch an den Seiten führten irgendwelche Drähte hinein, sie mussten also alle von unten hineinmünden. Dieser Kubus bildete das aktive Element des Verstärkers, und er war mit dem Ares durch einen silbrigen Lichtstrahl verknüpft, der zwischen ihnen verlief wie ein straff gespanntes Seil aus Plasma.
In das Gespinst von Drähten, aus denen das Nest bestand, waren ringsherum Dutzende Drucksensoren eingearbeitet, befestigt an Platinen und klobigen Kabelsteckern. Und diese Sensoren waren echt, davon war Travis überzeugt. Bereits ein festes Aufstampfen auf den Boden würde vermutlich genügen, um sie auszulösen.
Unten ging pausenlos das Knattern der Gewehre weiter. Es zermürbte Paige, das konnte er sehen. Sie verengte die Augen und schüttelte leicht den Kopf, wie um sich auf diesen Raum zu konzentrieren, wo sie vielleicht etwas ausrichten konnte. Sie drehte sich um und spähte suchend umher.
«Schön, und wo bitte steckt jetzt die Waffe, von der Pilgrims Leute uns erzählt haben?», fragte sie. «Was genau wollte er drei Stunden später aktivieren, wenn wir ihn an jenem Tag nicht daran gehindert hätten?» Sie deutete mit dem Kopf zum Ares. «Nicht dieses gottverfluchte Ding. Was hätte ihm das bringen sollen? Und die Stahlkästen in den unteren Etagen dienen auch bloß dazu, dieses System zu speisen, die können wir also auch vergessen. Es muss noch etwas anderes geben. Ich meine, wozu hätte er das gesamte Gebäude zu einem Verteidigungssystem aufrüsten sollen, wenn es dann nichts verteidigt – nur sich selbst? Das wäre doch zu selbstbezüglich.Wie diese Schilder, die man zum Scherz in einer Tür aufhängt: ‹Vorsicht, nicht den Kopf an diesem Schild stoßen›.»
Solche Schilder kannte Travis nicht. Mussten wohl in der Zeit aufgekommen sein, als er im Gefängnis saß.
Er drehte sich um und ließ seinen Blick aufmerksam über jede auch noch so kleine Einzelheit in dem Raum gleiten. Einige Drähte, die hier und da herabbaumelten, aus Löchern in der Wand quollen oder aus Röhren unten am Fußboden zum Vorschein kamen. Grüne Leitertafeln, die dazwischen herumlagen oder auch -hingen . LE D-Lämpchen , die seit der Aktivierung des Verstärkers in hektisches Blinken versetzt worden waren. Ansonsten aber gab es hier nichts. Einen nackten Fußboden. Nackte Wände. Steckdosen, in die nichts eingestöpselt war.
«Die gesamte Verdrahtung und Verkabelung dient dem Verstärker», sagte Travis. «Hier drinnen und auch im übrigen Gebäude. Und dafür hat er fast zehn Jahre lang gebraucht, stimmt’s? Für all die detaillierte Feinarbeit.»
Paige nickte, sah ihn abwartend an.
«Aber das ist doch widersinnig», fuhr er fort. «Warum tüftelt er so lange Zeit nur an dem Verteidigungssystem herum, und warum errichtet er dieses System
zuerst
? Falls dieser Laden noch einen anderen Zweck hat, einen Hauptzweck, wäre es doch wesentlich logischer, wenn er den schon Jahre zuvor fertiggestellt hätte.»
Sie sah ihn schweigend an. Darauf wusste offenbar auch sie keine Antwort.
Draußen näherte sich ein Fahrzeug mit laut heulendem Motor, bis die dumpfe Erschütterung einer Benzinexplosion dem ein Ende bereitete. Die Autos von der E 41 trafen also langsam ein.
Unten an der Wand, ein paar Meter hinter Paige, fiel Travis etwas ins Auge, ein dichtes Drahtknäuel. Irgendetwas war darunter verborgen. Was, das erkannte er schon nach wenigen Schritten: noch mehr Text, der in Geheimschrift in den Boden geritzt war. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Drähte nicht durch Sensoren gesichert waren, schob er das Knäuel behutsam beiseite.
«Was steht da?», fragte
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