Die Pforte

Titel: Die Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee

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ein, von einem Schützen zum nächsten, und gleich darauf hallte ein dermaßen infernalischer Lärm durch die Nacht, dass Travis kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Wirkung des M G-Feuers war dramatischer, als er gedacht hätte. Die ersten Reihen der heranflutenden Menge wurden erbarmungslos dezimiert, wie Unkraut, in das die Sense fährt. Paige riss sich das Nachtsichtgerät vom Kopf, vermutlich vor Grauen über das, was sie im Einzelnen hatte mit ansehen müssen, und konnte endgültig nicht länger an sich halten. Sie drehte sich zuTravis um, umarmte ihn und drückte ihn ganz fest an sich. Auch er umarmte sie und merkte, wie ihm unwillkürlich die Tränen kamen. Hoffentlich kam ihm dieses Schwein von Aaron Pilgrim irgendwann einmal vor die Flinte. Hoffentlich.

28
    Paige drückte ihm ihr Gesicht nur einen Moment lang an die Brust. Dann löste sie sich von ihm, wischte sich über die Augen und spähte wieder in die Nacht hinaus, als empfände sie das als ihre Pflicht. Oder auch als notwendige Buße.
    «Wenn wir vielleicht Tränengas hätten …», sagte sie. «Pfeffergasgranaten. So was in der Art …»
    Travis behielt das chaotische Getümmel von Taschenlampen unter ihnen im Auge, beobachtete, wie die Menge an einer Stelle konzentriert in Wellen vorwärtsflutete und umgehend dezimiert wurde, es dann an einer anderen Stelle versuchte und auch dort niedergemacht wurde. Immer und immer wieder.
    «Ich glaube kaum, dass das was nützen würde», sagte er.
    «Es gibt Entitäten, die uns hier hätten nützlich sein können», sagte Paige. «Wäre ich bloß so schlau gewesen, das hier vorauszusehen, hätte ich sie mitbringen können. Es gibt eine, die genauso aussieht wie der Ares, bloß in Grün, und sich auf das Gedächtnis auswirkt. Jump Cut nennen wir dieses Ding, wie die Schnitttechnik beim Film. Wer in seine Reichweite gerät, verliert sofort jedeErinnerung an die letzten drei Tage. Für die Betroffenen fühlt es sich an, als würden sie von dem, was sie genau drei Tage zuvor gemacht haben, unmittelbar in die Gegenwart versetzt. Unheimlich verwirrend, und gedanklich überhaupt nicht zu erfassen. Die Wirkung lässt mit der Zeit nach. Das wäre ideal geeignet, um die Menge zu zerstreuen. Wir hätten das Ding direkt unten an der Haustür aufstellen können, und dann, vielleicht – keine Ahnung …»
    Sie quälte sich. Versuchte die Verantwortung für Dinge zu übernehmen, für die sie unmöglich verantwortlich sein konnte. Was eindeutig für ihre Führungsqualitäten sprach. Aber jetzt im Augenblick war damit niemandem geholfen. Ihr am allerwenigsten.
    Travis legte ihr die Hand an die Schulter und drehte sie vom Fenster herum.
    «Gehen wir nochmal nach oben und schauen uns an, womit wir es genau zu tun haben», schlug er vor.
    Sie nickte, wischte sich ein letztes Mal über die Augen und riss sich dann sichtlich zusammen. Diesmal übernahm er die Führung auf dem Weg ins Treppenhaus.
    Dort angelangt, blieb er stehen und schaute neugierig hinunter zum nächsten Treppenabsatz, wo Miller und einige andere gerade mit dem Verdoppler arbeiteten. In dem Halbdunkel, das immer wieder vom Schein des Mündungsfeuers in allen Richtungen erhellt wurde, war leider nicht allzu viel zu erkennen. Annähernd hundert Gewehrmagazine waren an einer Stelle aufgetürmt, und Miller hielt den Verdoppler so, dass der aus dem einen Ende dringende gelbe Lichtkegel den Haufen Munition vollständig erfasste. Das aus dem anderen Ende dringende U V-Licht war nahezu unsichtbar und nur dort zuerkennen, wo es auf den Fußboden oder das Treppengeländer fiel. Dann leuchtete der Staub dort grellweiß auf.
    Alle paar Sekunden tauchte in dem U V-Licht ein exakt identisches Duplikat der aufgetürmten Magazine auf. Im Blitzen und Zucken des Mündungsfeuers ließ sich der Vorgang nicht lückenlos verfolgen, aber Travis hatte den Verdacht, dass er wohl auch bei helllichtem Tag keinen Deut weniger befremdlich gewirkt hätte. Jedes Mal, sobald ein neuer Stapel Munition auftauchte, luden sich die Kollegen um Miller herum die Arme mit Magazinen voll und liefen eilig davon, entweder in den Tunnel neben ihr oder nach unten in die anderen Stockwerke.
    Travis setzte sich wieder in Bewegung. Dicht gefolgt von Paige, stieg er die Treppe in den achten Stock hinauf. Auf halber Höhe endete das Kabelgewirr, und gleich darauf waren sie wieder auf dem obersten Treppenabsatz angelangt. Sie gingen vorsichtig um den Sprengkopf herum und traten erneut in