Die Pforte
begleitet von einem Schwall Hitze, den Travis noch einen halben Meter weiter weg spürte. Der Körper des Mannes zuckte heftig zusammen, und mit seinen Wunden ging eine erstaunliche Veränderung vor sich: Sie hörten sofort auf zu bluten.
Der Mann aber lag unverändert im Sterben, rang weiter mit weit aufgerissenen Augen mühsam um Atem. Paige umfasste seine Hand, beschwor ihn wortlos mit inständigem Blick, zu kämpfen, doch schon im nächsten Moment stieß er heftig die Luft aus, und sein Blick glitt zur Seite. Er war tot.
«Der Schütze hat aus einem Fenster ein Stück die Straße hoch gefeuert», sagte einer der anderen. «Lang sam gehen sie die Sache planvoller an.»
Travis dachte an das Video auf dem Laptop, an die beiden Männer, die abseits der Meute kurz beratschlagten und dann den Versuch unternahmen, das Käfigschloss zu knacken. So zornig sie waren, dumm waren sie nicht. Auf keinen Fall.
Er wandte sich zum Fenster um. Neben den aufgetürmten Leichenbergen draußen auf den Brücken und in den Straßen zwischen den Häusern brannten nun auch Autowracks, lodernde Hindernisse, die den Vorwärtsdrang der wütenden Menge nur unwesentlich hemmten, mit ihrer Hitze aber breite Schneisen in den Nebel schlugen. Gucklöcher gleichsam, durch die Travis im Schein der Flammen klar und deutlich Einzelheiten des Gemetzels erkennen konnte, ein Anblick, auf den er liebend gern verzichtet hätte.
Einige Personen lösten sich aus der Menge und kamen zusammen auf das Gebäude zugerannt, worauf die beiden Schützen neben Travis und Paige umgehend das Feuer auf sie eröffneten.
Travis beugte sich vor und schrie ihr ins Ohr: «Viel länger werden wir nicht durchhalten! Da draußen sind vierhunderttausend Leute! Die sehen, was alles nicht funktioniert, und werden sich bald etwas einfallen lassen, das funktioniert!»
«Was sollen wir denn tun?», schrie Paige zurück. «Wenn die reinkommen, lösen sie die Sensoren aus!»
«Wie funktioniert das normalerweise mit dem Ares?», fragte er. «Haben die Angreifer es auf das Ding selbst abgesehen oder bloß auf diejenigen, die als Ziele markiert wurden? Nur auf die Zielpersonen, richtig?»
Unten auf der Straße explodierte ein weiteres Auto, es klang wie Granatwerferbeschuss.
Paige musste gegen den Lärm anbrüllen. «Ja! Sie haben es nur auf uns abgesehen!»
«Dann hauen wir doch hier ab!»
Sie sah ihn an, als glaubte sie, sich verhört zu haben. Wie auch der eine der beiden Scharfschützen.
«Sie werden uns verfolgen», erklärte Travis, «und sich nicht länger um das Gebäude kümmern. Klar, wir werden dabei draufgehen, aber so können sie zumindest die verdammte Bombe nicht zünden. Unter der Straße muss es doch Abwasserrohre geben, eine Kanalisation, so was. Kann man vom Gebäude aus irgendwie da hineingelangen?»
«Ja», sagte Paige. «Im Keller gibt es einen Gully. Nicht sehr groß, aber einzeln könnten wir hindurchpassen, einer hinter dem anderen –»
Sie verstummte. Schnappte erschrocken nach Luft. Gleich darauf begriff Travis, warum.
Dann rannte sie auch schon los, zurück in den Tunnel, und schrie dabei in ihr Headset: «Mannschaft im ersten Stock, sofort runter in den Keller! Abflussgully sichern!»
Travis folgte ihr dichtauf, das Gewehr in der Hand, erst durch den Tunnel, dann durch das Kabelgewirr auf der Treppe, an Läufern mit Munition vorbei, vorbei an den Zugängen der Tunnels, die vom Treppenhaus abzweigten und zu den Schützen führten. Sie erreichten den zweiten Stock. Den ersten. Jetzt das Erdgeschoss.
Und da waren auch schon die Scharfschützen, die Paige eben in den Keller geschickt hatte. Vier Männer, die sich um die offene, aus den Angeln gerissene Kellertür herumdrängten und Dauerfeuer auf etwas ganz in der Nähe abgaben, nur wenige Meter außerhalb von Travis’ Gesichtsfeld. Dank Paiges Geistesgegenwart war eine Katastrophe nur um Haaresbreite noch abgewendet worden. Die Menge war durch die Kanalisation bereits in den Keller vorgedrungen.
Da wurde einer der vier Scharfschützen durch einen Kopfschuss gefällt. Es befanden sich also auch Bewaffnete unter der Menschenmasse, die da herandrängte.
Trotz der Schießerei fiel Travis jetzt auf, dass er ihre Stimmen hören konnte, ihr wütendes Geschrei, sogar einzelne Wörter, auf Deutsch und Italienisch, waren auszumachen. Da hörte er rechts von sich ein dumpfes Geräusch und drehte sich um. Als wäre ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen. Dann wiederholte sich das Geräusch, und
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