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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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erwischt!«
    Elsbeth fühlte sich, als ob ihr Herz ausgesetzt hätte. Jetzt pumpte es einen heißen Schwall Blut in ihren Körper. Ihr wurde schwindlig. »Lasst den Mann in Ruhe, er hat Euch nichts getan«, hörte sie sich wie von weitem sagen.
    »Ja, bei der heiligen Maria«, winselte Sneydenwint auf dem Boden.
    »Nichts getan?«, schrie der Besenträger. »Nichts getan!?« Spucke flog von seinen Lippen. »Ha! Nichts getan!« Er ließ die Schultern sinken und schüttelte den Kopf. »Nichts getan …« Er sah sich um und schien sich plötzlich gewahr zu werden, dass alle ihn anstarrten: der Bischof, der Propst, die Novizinnen, die Krankenschwestern, die anderen Patienten. »Was glotzt ihr so?«, rief er, doch es war zu erkennen, dass seine Wut verpufft war. »Seid ihr blöde oder was?«
    Reinhild und eine andere der Novizinnen kamen herbei und führten den Besenträger sanft zur Seite. Er war folgsam wie ein Lamm. Sneydenwint schien er schon vergessen zu haben. Der Kämmerer seinerseits kauerte noch immer auf dem Boden, lüftete seine edleren Teile und fürchtete offenbar weitere Schrecknisse. Adelheid hastete heran, stellte sich neben ihn und zerrte mit abgewandtem Blick so lange an Sneydenwints Tunika, bis er wieder einen schicklicheren Anblick bot. Dann räusperte sie sich und stieß ihn schließlich, den Kopf immer noch abgewendet, mit dem Fuß an.
    »Er ist weg!«, flüsterte sie dröhnend.
    Bischof Heinrich lief puterrot an. »Der Mann ist gemeingefährlich!«, brüllte er. »Er gehört sofort aufgehängt! Verbrannt! Gevierteilt!«
    »Er ist nicht bei Sinnen«, sagte Elsbeth. »Er ist nicht für seine Taten verantwortlich.«
    »Er hätte beinahe meinen Kämmerer umgebracht!«
    »Heilige Maria!«
    »Woher kannte er Herrn Sneydenwint?«, fragte Elsbeth. »Wir haben ihn noch nie so zornig gesehen. Was ist zwischen den beiden geschehen?«
    Der Bischof richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Als er erkannte, dass ein paar der Novizinnen ihn immer noch überragten, begann er erneut zu wippen. »Das hat ein Nachspiel«, flüsterte er. »Was sind das hier für Zustände, eh? Mörder werden in einem Hospiz versteckt, das ich mit meinem eigenen Geld finanziere! Ich werde dem einen Riegel vorschieben. Und Euren Namen merke ich mir, Schwester Elsbeth! Eh …?«
    Er gaffte eine zierliche Gestalt an, die die ganze Zeit über im Hintergrund des Raumes gestanden hatte und niemandem aufgefallen war – ein blasses Mädchen, das förmlich in dem düsteren Saal leuchtete und nun zielsicher auf den Bischof zukam. Sie ging nicht, sie schwebte. Als sie an Sneydenwint vorüberschritt, warf sie ihm nicht einmal einen Blick zu. Sneydenwint starrte zu ihr hoch. Seine Augen rollten. Er musste glauben, das Zeitliche gesegnet zu haben und nun den ersten Engel zu erblicken.
    »Licht …«, hauchte die zarte Gestalt und wandelte an Bischof Heinrich vorbei. »Das Licht ist alles, und ohne das Licht ist alles nichts. Die Farben eines Schmetterlingsflügels schillern nur, weil das Licht der Reinheit sie erleuchtet. Alles andere …«, sie vollführte vage Gesten hin zu Dingen, die sie gar nicht zu sehen schien: zur Figur des Gekreuzigten im Herrgottswinkel des Raumes, zu dem schimmernden Kruzifix an seinem Goldkettchen um den Hals des Bischofs, »… ist nur der trügerische Schatten, den das Licht wirft und in dem Kälte und Dunkelheit wohnen.«
    Elsbeth schlug die Hände vors Gesicht. Schwester Hedwig, die keinen Augenblick innegehalten hatte, schwebte mit leichten Schritten bis zur nächsten Wand, blieb stehen, drehte sich um und lächelte leer.
    »Das ist … Ketzerei …«, ächzte der Bischof erstickt. Er warf sich herum und stapfte aus dem Raum, dicht gefolgt von Propst Rinold. Hartmann folgte ihm vermutlich auch, aber keiner hätte darauf schwören können.
    Albert Sneydenwint blieb zurück. Nach einer Weile blickte er sich um. Zögernd rappelte er sich auf, stellte sich hin, klopfte sich den Staub von den Knien, zerrte seine Tunika gerade, räusperte sich … und rannte dann mit rudernden Armen zur Tür hinaus, dem Bischof hinterher. Der herabgerollte Beinling flatterte um seinen Stiefel.
    »Ich bin erledigt«, sagte jemand. Schwester Elsbeth war nicht erstaunt festzustellen, dass sie selbst es gewesen war.
    4.
WIZINSTEN
     

     
    Vor Dir, Gott, allmächtiger Vater, bekenne ich meine Schuld …
    Die Worte dröhnten in Constantia Wiltins Ohren, obwohl sie sie nur in Gedanken sprach. Sie ertränkten alle anderen Geräusche

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