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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wiederum Rogers in tödliche Verlegenheit stürzte.
    Die zweite Schwester hatte ihn nicht aufgehalten. Anders als ihre Glaubensgenossin trat sie ihm unbefangen entgegen und plauderte mit ihm, wenn sie nicht zeitweilig in Schweigen versank und dann lächelnd einen verirrten Lichtstrahl beobachtete, der durch einen Spalt im Mauerwerk fiel. Sie um sich zu haben war wie die Gegenwart eines Schmetterlings; man hütete sich, ihm zu nahe zu kommen, genoss das Schillern seiner Flügel, aber wenn es lange genug dauerte, vergaß man ihn und nahm sein Flattern bestenfalls noch aus dem Augenwinkel wahr. Ihre unaufdringliche Gegenwart am Rand der Aufmerksamkeit ging so weit, dass Rogers schon nach ein paar Stunden zu glauben begann, er habe sie bereits früher einmal irgendwo gekannt. Allerdings hatte er festgestellt, dass er, wenn sie in der Nähe war, den Schmerz um Godefroys Tod nicht mehr so schlimm verspürte. Auch das erinnerte ihn an einen Schmetterling; er hatte Männer gesehen, die selbst auf dem Schlachtfeld, wenn sie neben ihrem erschlagenen Bruder oder Vater oder Sohn kauerten, kurz von ihrer Trauer abgelenkt wurden, wenn eines der schimmernden Tierchen sich neben ihnen niedergelassen hatte. Insofern hatte Schwester Elsbeth eine gute Auswahl getroffen unter den Nonnen, die ihn betreuten …
    … außer, seine Wünsche zu berücksichtigen.
    Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er nur sie um sich haben wollen. Er hätte lieber mit ihr zusammen geweint als mit allen anderen Frauen, die er kannte, gelacht.
    Er stellte fest, dass es schwierig war, den Galgenhügel zu erklimmen. Seine Beine waren schwer und steif, und er war schon völlig außer Atem gewesen, bis er am Fuß des Hügels angekommen war. Von der Stadt aus war der Steinbruch nicht zu sehen; er schaute fast exakt nach Westen. Rogers war froh darum. Er ahnte, dass der Weg hinauf unmöglich gewesen wäre, wenn er die frische Abbruchstelle ständig vor Augen gehabt hätte. Er würde sie ohnehin noch früh und lange genug ansehen.
    Was er vorhatte, war, sich ans Seeufer zu setzen – die ganze Nacht hindurch.
    In seinem sich alle paar Schritte überlagernden Sichtfeld fokussierte sich etwas, das auf dem Boden ein paar Dutzend Schritte weiter den Hügel hinauf lag. Er ließ sich daneben auf die Knie sinken, dankbar für die Pause und sich gleichzeitig fragend, wie er wieder hochkommen sollte. Er packte zu und drehte den Körper ächzend auf den Rücken. Trübe Augen starrten ihn an, eine Hand mit einem Holzbecher darin gestikulierte matt.
    »Wasmachstnduhier?«, lallte Walter.
    »Ich wollte schon immer mal einen Weinbecher sehen, an dem ein total betrunkener Engländer hängt.«
    Walter spähte mit einiger Anstrengung in Rogers’ Gesicht. »Wo willst’n hin?«, fragte er.
    Rogers zeigte mit dem Daumen in Richtung des Sees. »Ich wollte für Godefroy Totenwache halten.«
    »Ach was?«, stöhnte Walter. »Das trifft sich … ich auch. Hilf mir mal auf, dann führ ich dich hin.« Er rülpste und seufzte. »Scheiße, is’ mir schlecht.«
    Sie richteten sich aneinander auf wie zwei Invaliden. Rogers fühlte sein Herz in seinen Schläfen pochen, als sie endlich standen. Walter schwankte und hätte Rogers beinahe wieder mit umgerissen.
    »Wieso hatter kleine Trottel sich ersäufen lass’n?«, rief Walter. »Warum hatter nicht besser aufgepasst, hä? Weissu noch, wie er an der Straße in Ter … hicks … Terasanta mit seiner Armbrust ’n halbes Dutzend von den Kerlen umgelegt hat, die uns ans Leder wollt’n? Weissu noch?«
    »Ja«, sagte Rogers und versuchte, Walter mit sich zu ziehen. Nun musste er nicht nur seinen eigenen schmerzenden Leib vorwärtsschleppen, sondern auch ein Weinfass auf zwei äußerst nachgiebigen Beinen.
    »Un’ vorher, in irgndsonem Kaff, wo sie uns das Fress’n von den Hund’n hingeworf’n ham und Godefroy den kleinen … hicks … den kleinen Köter an der Gurgel gepackt hat, der angewetzt kam, un’ … un’ gesagt hat, dass wir den Köter verputzen, wenn man uns nix … hicks … nix … äh …«
    »… Anständiges zu essen gibt«, sagte Rogers. »Ja, ich weiß. Und wie sich rausgestellt hat, dass der Köter der Mutter des Dorfschulzen gehörte und wir endlich mal frisches Essen bekamen, wenn nur der Töle nichts passierte.«
    »Un’ wie der Perser uns nachher alle umbringen wollte, weil er für das Essen beza… bezahlen musste. Hahaha … hicks!«
    »Er fehlt mir«, sagte Rogers.
    »Ja«, seufzte Walter. »Beim

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