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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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heiligen Georg, mir fehlt er auch. Un’ wenn ’n Engländer das über ’n Franzosen sagt, heißt es was.«
    Humpelnd und schwankend erreichten sie das Seeufer und ließen sich ächzend auf einen der zerschundenen Baumstämme sinken, den die Wellen nach dem Felsrutsch auf das Gras geworfen hatten. Der See glitzerte im schrägen Licht, und sie mussten die Augen zusammenkneifen; Rogers, weil er zwei Tage lang in einer dunklen Zelle gelegen hatte, und Walter, weil er das Gefühl hatte, dass ihm sonst der Kopf wegflog. Zwischen dem Treibgut in der Nähe des Abbruchs plätscherte eine Ente oder sonst ein Wasservogel schwach mit den Flügeln und ließ das Wasser gleißend hell aufspritzen.
    »Hör mal …«, sagte Walter nach einer Weile. Der kleine Fußmarsch schien sein Hirn ein wenig ausgenüchtert zu haben.
    »Ich bin schuld, dass wir hier in Wizinsten sind«, sagte Rogers. »Das ist mir völlig klar.«
    »Nein, hör doch mal …«
    »Eigentlich sollte ich mich für Godefroy freuen. Ich habe gelernt, dass der Körper letzten Endes nur die stoffliche Hülle ist, die die reine Seele in einem Käfig aus Schmerzen, Begierden und Fehlerhaftigkeit gefangen hält. Godefroys Seele ist jetzt frei. Aber es ist schwer, darin Trost zu finden, wenn man diese Seele nicht mehr erreichen kann und …«
    »Hör mal zu und halt die Klappe«, sagte Walter.
    Rogers wandte sich erstaunt zu ihm um. Walter sah gar nicht ihn an, sondern hatte den Kopf vorgestreckt und lauschte auf das Wasser hinaus. Rogers lauschte ebenfalls. Er hörte die Ente mit den Flügeln schlagen und ihr leises Quaken.
    Die Ente quakte: »Hilfe!«
    Sie sahen sich an.
    »Hast du das auch gehört?«, fragte Walter.
    »He!«, quakte die Ente. »Hilfe!!«
    Sie sahen zu der Stelle hinaus, an der das Wasser aufspritzte.
    »Das ist Marquard«, sagte Rogers nach ein paar Augenblicken.
    Die Ente, die Marquard war, rief: »Hier bin ich! He! Hilfe!«
    »Ich kann nicht schwimmen«, sagte Rogers. »Ich bin froh, wenn ich die Arme in Brusthöhe heben kann.«
    »Na prima. Wer sagt, dass ich schwimmen kann?«
    »Ihr lebt auf einer Insel. Ihr müsst schwimmen können.«
    »Ihr Franzosen wärt ohne einen Engländer total aufgeschmissen.« Walter öffnete den Gürtel, wand sich aus Tunika und Hemd, schlüpfte aus den Stiefeln, nestelte die Beinlinge los und rollte sie sich von den Beinen, starrte einen Moment nachdenklich auf seine mitgenommene Bruche, sagte: »Was soll’s!«, zog sie aus und sprang splitternackt ins Wasser.
    »Kalt!«, schrie er.
    »Macht nüchtern!«, rief Rogers zurück. Er stand mühsam auf und trat bis zum Rand des Sees.
    Marquard hatte sein Rufen und Herumgeplätscher eingestellt. Walter schwamm mit kräftigen Zügen in die Mitte des Sees und kämpfte sich dann durch das dort dichter werdende Treibholz. Als er angekommen war, wurde Rogers Zeuge der merkwürdigsten Rettungsaktion, die er je erlebt hatte. Walter zog Marquard von der Wand weg, an der er sich festhielt. Marquard wehrte sich und fluchte; als er Walter entglitt, schwamm er mit wild um sich dreschenden Armen wieder zur Wand zurück und klammerte sich daran fest. Rogers hörte, wie Walter auf Marquard einredete, aber er konnte nicht verstehen, was er sagte; Marquard, der Walters Sprache nicht kannte, ging es vermutlich genauso. Walter hielt sich an einem Baumstamm fest und versuchte Marquard erneut von der Wand zu pflücken. Marquard schüttelte wie wild den Kopf und schlug Walters Hände weg. Er schrie mit einem Wortschwall auf den Engländer ein, von dem Rogers nichts verstand außer: »Dort unten! Dort unten!«
    »Was ist da los?«, fragte eine Stimme neben Rogers. Er fuhr überrascht herum.
    Schwester Elsbeth sah erhitzt aus. Sie musste den halben Weg heraufgelaufen sein. Einen Augenblick lang fragte Rogers sich, wie sie ihn hier gefunden hatte, dann wurde ihm klar, dass sie, als sie ihn nicht auf seinem Krankenlager angetroffen hatte, zur Herberge gegangen sein musste, und als Walter auch gefehlt hatte, musste sie geahnt haben, wohin die beiden Männer gegangen waren.
    »Warum lächelst du so?«, fragte sie. Hastig brachte Rogers seine Gesichtszüge in Ordnung und sah mit Genugtuung, dass ihre Wangen sich noch ein wenig roter gefärbt hatten.
    »Obwohl es Abend ist, geht die Sonne für mich gerade wieder auf«, erwiderte er.
    Sie blickte zu Boden und dann an ihm vorbei auf den See hinaus. Walter und Marquard hielten sich gemeinsam an einem Stück Treibholz fest. Marquard redete auf den

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