Die Pforten der Ewigkeit
Er zuckte zusammen, als ihm ein Furz entfuhr, und ließ die Hände sinken. Ihm schien klar zu sein, dass man eine wirkliche Aussage von ihm erwartete, ebenso wie es klar war, dass er keine Ahnung hatte, was er tun sollte. »Genau«, sagte er schließlich, offenbar weil es ihm das Einfachste schien.
Lubert Gramlip stellte den Stock anders hin und schaute beiseite, als hätte es nie den Blickwechsel zwischen ihm und Elsbeth gegeben. Die Wangenmuskeln des Zisterziensers spielten. Er sah nicht viel anders aus als Bischof Heinrich an jenem Tag im Hospiz, an dem sie sich ihn zum Feind gemacht hatte.
Graf Konrad I. von Zolorin würde in einem Streit niemals zu Gunsten der Mönche in Ebra entscheiden, sondern zu Gunsten der Stadt, die in seinem Hoheitsgebiet lag, nämlich Wizinsten – und damit auch zu Gunsten Elsbeths und ihrer Schar.
Der Zisterzienser holte tief Luft. »Ihr müsst wissen, wem ihr die Sicherheit eurer Stadt anvertraut«, sagte er heiser.
»Ich bin sicher, unsere Brüder in Ebra werden uns mit dem Fachwissen ihrer Handwerker aushelfen, um nicht zuzulassen, dass unsere Unerfahrenheit weitere Menschenleben kostet«, hörte Elsbeth sich sagen.
Der Zisterzienser starrte sie an. Dann bückte er sich eckig, schob die Steine beiseite, rollte den Plan zusammen und überreichte ihn seinem Begleiter. Bis er damit fertig war, hatte er sich wieder gefangen.
»Gott schütze dieses Haus, diese Stadt und die weisen Beschlüsse des Rates«, sagte er.
»Amen«, sagten die Stadträte.
»Äh …«, sagte Everwin Boneß. Er sah aus wie jemand, der zwischen einen Tiger und einen Löwen geraten ist und gerade erkannt hat, dass die helfende Hand, die er ergriffen hat, in Wahrheit die Tatze eines Bären ist.
11.
WIZINSTEN
Constantia wartete an der Straßenkreuzung. Sie hatte es so arrangiert, dass das Treffen für einen zufälligen Beobachter ganz zufällig wirken musste.
»Du hast uns nicht gesagt, dass der Burggraf von Nuorenberc Besitzrechte an dem Steinbruch hat, Weib«, schnappte der eine der Zisterzienser.
Constantia blieb ruhig, obwohl die Verachtung für sie und ihre Stellung in der Stadt in Wellen von dem Mönch ausging wie ein schlechter Geruch.
»Weil es nicht stimmt«, sagte sie.
Die Mönche sahen sich an. Ihr Wortführer wurde noch ein wenig roter im Gesicht. So schaute jemand, der erkennt, dass man ihn nicht einfach, sondern doppelt hereingelegt hat.
»Ich werde sie … ich werde diese … diese … Nonne … zerquetschen«, knurrte er.
Constantia hatte die Abwesenheit Meffridus’ genutzt, um nachzudenken. Sie glaubte eine vage Ahnung zu haben, was den Notar dazu trieb, den Klosterbau von Schwester Elsbeth zu unterstützen. Wenn der Neubau erst einmal benutzbar war, würden die Nonnen den alten Bau verlassen, und was immer Meffridus unter dem alten Wachturm vor der Welt versteckte, würde wieder sicher sein – umso sicherer, wenn die unmittelbare Nähe des neuen Klosters quasi einen Heiligenschein auch auf die Umgebung warf. Tatsächlich würde es für Meffridus sogar noch einfacher werden, seine schmutzigen kleinen Geschäfte zu tätigen, wenn er sich im Schatten verstecken konnte, den das strahlende Licht des neuen Zisterzienserklosters warf. Wenn sie ihm schaden wollte, musste sie dem Kloster schaden. So einfach war es. Und so tödlich, wenn er ihr auf die Schliche kam. Seine Zuneigung zu ihr stand außer Zweifel und war mehr als bloßes Begehren ihres Leibs, so viel war klar. Klar war aber auch, dass er sich davon nicht abhalten lassen würde, sie auszulöschen, wenn sie ihm in die Quere kam. Vielleicht würde er ihr einen schnellen Tod geben. Auf mehr Gnade durfte sie jedoch nicht hoffen.
»Nein«, sagte sie. »Der Schaden ist schon angerichtet. Wichtig ist jetzt, dass der Burggraf von Nuorenberc nicht in die Angelegenheit hereingezogen wird. Ganz egal, wie die Besitzverhältnisse zurzeit sind – etwas Wertvolles wie einen Steinbruch wird er sich auf jeden Fall zu sichern versuchen. Nein, er darf auf keinen Fall aufmerksam werden; genauso wenig übrigens wie Bischof Heinrich von Papinberc oder Bischof Hermann von Virteburh.«
Constantia hörte sich mehr oder weniger selbst beim Denken zu und war unangenehm überrascht. War es das, was Meffridus stets empfand? Sah er ebenso klar wie sie jetzt, wie man seine Gesprächspartner manipulieren und wohin man ihre eigenen Gedanken steuern musste? Fühlte er den gleichen, ätzenden Hohn angesichts ihrer Wünsche und Hoffnungen und
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