Die Pforten der Ewigkeit
Dienstmagd kam zurück, knickste ein zweites Mal vor Rogers und flüsterte dann mit den anderen Bediensteten. Sie verließen ohne ein weiteres Wort den Raum. Rogers musterte den Bettler. Der Mann lächelte. Aus dem Augenwinkel sah Rogers, wie Walter mit unschuldigem Gesicht und der Hand am Schwertgriff in die Nähe des Bettlers schlenderte. Wenn er sie in eine Falle geführt hatte, würde er keinen Kopf mehr haben, mit dem er sich darüber freuen konnte.
Die Blicke des Bettlers irrten ab. Er faltete die Hände vor der Brust und verneigte sich tief. Ein graubärtiger Mann und eine Frau kamen herein. Der graubärtige Mann schritt auf Rogers zu, fasste ihn an den Oberarmen, gab ihm einen Friedenskuss auf die Wange und murmelte den Gruß eines perfectus : »Ich bin der Bote des Lichts und der Wahrheit.«
Gelähmt in seiner absoluten Überraschung, hörte Rogers sich die Antwort geben: »Ich bin das Gefäß für das Licht und die Wahrheit.« Er hatte nur Augen für die Frau von Scior di Ponte. Sie war eine bleiche, erschöpft aussehende Schönheit, und über ihre Wangen liefen Tränen.
Sie war Sariz de Fois, Rogers’ Mutter.
Er gaffte sie an, während sie auf ihn zutrat, mit einer formalen Begrüßung begann, dann nicht mehr weitersprechen konnte und ihn einfach in ihre Arme schloss. Ihr Körper zitterte, so sehr schluchzte sie. Scior di Ponte stand beiseite und wischte sich über die Augen.
»Rogers«, flüsterte Sariz. »Mein Rogers! Mein großer, großer Sohn.«
Rogers versuchte, die Tränen zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht. Mit schwimmendem Blick suchte er seine Gefährten. Walter und Godefroy standen plötzlich vor dem Eingang des Hospizgebäudes in der Türöffnung, nahe genug, um eingreifen zu können, und weit genug weg, um Rogers’ Wiedersehen mit seiner Mutter nicht zu stören. Ihr Taktgefühl ließ seine Augen erneut überquellen.
»Mama«, sagte Rogers schließlich. »Was ist mit Papa? Warum bist du … wann hast du … Scior di Ponte, warum habt Ihr mich begrüßt wie ein Vollkommener? Ein perfectus darf kein Weib haben …«
»Die bösen Zeiten sind auch hier angekommen, Mesire«, sagte der graubärtige Mann. »Wir perfecti werden gejagt wie Wild. Seid willkommen, Mesire. Das Licht Gottes hat Euch hierhergeführt.«
»Ich bin nicht der Mesire«, wehrte sich Rogers. »Das ist die Anrede für meinen Vater.« Er fühlte seinen Körper zu Eis werden in der Umarmung seiner Mutter. »Oh, Mama, nein! … Ist Papa …? Hast du deshalb …?«
Seine Mutter schüttelte den Kopf. Sie löste sich von ihm und trocknete ihre Augen mit ihrem Ärmel. Von Sariz de Fois hatten früher selbst die wandernden, überspannten Troubadours noch höfische Manieren lernen können; ihre Geste war ein Zeichen dafür, wie erschüttert sie war.
»Nein, Rogers. Deinem Vater geht es gut. Ich glaube es jedenfalls. Wir haben nur selten Kontakt; es ist gefährlich, sich Botschaften zu senden. Und nein, ich bin nicht das Weib von Scior di Ponte.«
»Es ist eine Tarnung, Mesire. Wir müssen lügen, um uns zu schützen, so weit ist es gekommen. Eure Mutter wäre unter ihrem wahren Namen noch weniger sicher, als sie es ohnehin schon ist, und ich«, er zerrte am Verschluss seiner Tunika und zeigte Rogers, dass er darunter eine weitere Tunika in tiefem Indigoblau trug, eine der strengen Farben, in denen sich perfecti üblicherweise kleideten, »brauchte ebenfalls eine Ausrede, um meinen wahren Status zu verschleiern. Daher haben wir uns als Mann und Frau ausgegeben. Der Hospizwirt denkt, wir seien eine Familie auf Pilgerreise, die hier haltmachen muss, weil ein Kind erkrankt ist.«
»Ein Kind?«
»Adaliz ist auch hier«, sagte Sariz.
»Was fehlt ihr!?«
»Nichts. Wir haben sie nur als krank ausgegeben, damit wir eine Kammer für sie und mich bekamen und so der Schicklichkeit zwischen Scior di Ponte und mir Genüge getan war. Scior di Ponte ist ein wahrer Freund, Rogers. Ohne ihn wären Adaliz und ich schon lange Gefangene.«
»Nun«, sagte di Ponte, »das Gleiche wollte ich gerade über Euch sagen, Donna Sariz. Eine Frau wie Eure Mutter findet man nicht alle Tage, Mesire.«
»Ich bin nicht der Mesire«, wiederholte Rogers.
»Der Titel ist nicht eine Frage der Generationenfolge, sondern der persönlichen Würde«, sagte Sariz.
Ich hatte mehrere Monate lang ein Verhältnis mit einer Zisterziensernonne, hörte Rogers seine innere Stimme sagen, ich habe gelogen und getötet und mich vor einer Stunde noch dafür
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