Die Pforten der Ewigkeit
Liebe ebenso umbarmherzig bestrafen wie der Gott der Nachsicht, an den der Rest der Christenheit glaubte?
Allein ihre Gedanken waren Erzsünden!
Wenn nur erst die Kirche steht , dachte Elsbeth, werde ich dich angemessen um Gnade anflehen können, gütiger Gott, dafür, dass ich dem Geschenk gefolgt bin, das du den Menschen gegeben hast.
4.
MILAN
Rogers hatte sich die ganze Zeit über gesagt, dass das Schwierigste war, nach Milan zu gelangen. Dort angekommen, stellte er fest, dass es das Einfachste gewesen war und dass er sich selbst die ganze Zeit etwas vorgelogen hatte. Das Problem war das Ziel, nicht die Reise.
Alles, was sie hatten tun müssen, war, ihren Stolz hinunterzuschlucken und sich bei einem Fernkaufmann als Geleitschutz für einen Handelstreck zu verdingen. Diesmal hatte ihnen Rogers’ und Godefroys französische Herkunft zum Vorteil gereicht. Viele aus König Louis’ unseligem Kreuzzug zurückgekehrte Ritter waren völlig mittellos, und diejenigen von ihnen, die ohnehin nur zweite Söhne gewesen waren, hatten noch nicht einmal eine Heimat, in der sie aufgenommen wurden. Der Besitz an den ersten Sohn, Geld, Waffen und ein Pferd für den zweiten und eine Mitgift für ein Kloster für den dritten Sohn, das war die Erbfolge nicht nur unter den französischen Seigneurs. Die zweiten Söhne, die den Kreuzzug überlebt hatten, bevölkerten nun die Straßen zwischen den Pyrenäen und dem Baltischen Meer und waren froh, wenn ihnen von ihrem dreiteiligen Erbe wenigstens ein schartiges Schwert geblieben war. Geleitdienst für einen Pfeffersack zu absolvieren war eine halbwegs anständige Methode, wieder auf die Beine zu kommen. Die Pfeffersäcke hatten sich bei aller Feindschaft zwischen Adel und Bürgertum eine gewisse Achtung vor dem Ritterstand bewahrt und waren auch nicht davor gefeit, mit der Abstammung ihrer neuen Leibwächter zu prahlen. Und Gelegenheiten, sich nützlich zu erweisen, gab es auf den Reisen genug, denn das letzte Mal, da die Straßen sicher gewesen waren, hatte die Reichskrone noch auf dem Blondhaar von Kaiser Federico gesessen.
Durch die Gassen Milans zu streifen kam Rogers vor wie ein bizarrer Traum von Wizinsten. Die gesamte Stadt war eine einzige Baustelle. Kaiser Friedrich Barbarossa hatte die Stadt, die eines der mächtigsten Mitglieder des Lombardenbundes gewesen war, vor beinahe einhundert Jahren belagert, erobert und dem Erdboden gleichmachen lassen – das war gewesen, bevor er erkannt hatte, wie sich mit Hilfe Milans die anderen Städte des Lombardenbundes gegeneinander ausspielen ließen und die Stadt deshalb auf einmal bevorzugt in seiner Gunst gestanden war. Kaiser Federico war erneut mit Milan über Kreuz geraten, nachdem der Lombardenbund versucht hatte, seinen Kreuzzug zu hintertreiben, und hatte einen Reichskrieg gegen die Verbündeten geführt. Nun, nach beinahe drei Kaisergenerationen politischer und militärischer Auseinandersetzungen, hatten die Milaneser wieder Vertrauen in die Zukunft gefasst und mit dem Wiederaufbau ihrer Stadt Ernst gemacht. So wechselten Schutthaufen, Leerflächen und eingerüstete Gebäude einander ab, und selbst die beiden Kirchen im Zentrum, die Basilika der heiligen Thekla und die Kathedrale Santa Maria Maggiore, waren nicht viel mehr als gigantische Ameisenhaufen, in denen die Steinmetze, Maurer, Gipser, Zimmerer und Hilfsarbeiter die Ameisen waren.
Zwischendrin fand sich das eine oder andere Haus, das nicht halb aufgebaut, sondern halb zerstört war. Die Zerstörungen stammten nicht aus der Vergangenheit.
Sie standen vor einem davon, zu dem vorsichtiges Nachfragen und Andeutungen sie geführt hatten, und starrten es an. Das Haus starrte aus leeren schwarzen Fensterhöhlen zurück.
»Du bist sicher, dass das kein schlechter Scherz war?«, fragte Walter.
Rogers wies stumm auf das grässliche Ding, das über der eingetretenen Tür hing. Man konnte erkennen, dass es einmal eine Katze gewesen war. »Katzen gelten den Romchristen als die Tiere des Teufels«, sagte er. »Man sagt uns nach, dass wir in unseren Ritualen Katzen den Hintern küssen.«
»Also ist das so etwas Ähnliches wie der gelbe Ring, den die Juden auf ihren Gewändern tragen müssen.«
»Nur, dass dafür kein Tier zu Tode gequält wird. Die doppelte Verhöhnung versteht man, wenn man weiß, dass unsere perfecti weder Menschen noch Tieren ein Haar krümmen dürfen. Sie essen nicht einmal Fleisch.«
In Walters Miene spiegelte sich die gleiche Erinnerung wie bei
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