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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Ratsherren, dazu waren sie zu zerschlissen gekleidet. Als sie näher kamen, sah sie, dass einer von ihnen seine Gugel übergezogen hatte, um sich vor dem heftiger werdenden Regen zu schützen. Die anderen drei trotteten mit hängenden Schultern dahin; nur der Gugelträger hielt sich aufrecht. Etwas an seinem Gang weckte eine Erinnerung in Constantia, die sie aufs erste Nachdenken nicht zuordnen konnte.
    Der Gugelträger hob den Kopf, und der Wind blies ihm die Kapuze vom Kopf. Constantia konnte auf die Entfernung nur erkennen, dass er eine Stoffbinde über einem Auge trug. Er zog die Kapuze mit einer ungeduldigen Bewegung wieder über und wischte sich den Regen aus dem Gesicht, und dann schien der Blick aus seinem heilen Auge direkt auf Constantia zu fallen.
    Constantia fand sich plötzlich auf Händen und Knien wieder. Etwas packte mit Urgewalt ihren Leib und drückte ihn zusammen, und sie erbrach sich so schmerzhaft, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Der Abstand, den die verbliebenen Männer gewohnheitsmäßig zu ihr hielten, wurde noch größer, als diese zurücksprangen. In Constantias Kopf drehte sich alles. Als sie versuchte, sich auf die Knie aufzurichten, krampfte eine neue Welle ihren Magen zusammen. Sie hustete und verschluckte sich und bekam keine Luft. Sie versuchte erneut zu husten, aber all ihr Atem war mit dem letzten Husten aus ihrer Lunge entwichen. Ihr Brustkorb blähte sich vergeblich. Sie fiel auf die Seite. Undeutlich spürte sie, wie jemand sie packte und hochzog. Ihre Hände fuchtelten herum. Jeder Atemzug war blockiert. Luft! Sie fiel erneut zu Boden, weil derjenige, der sie gepackt hatte, sie nicht halten konnte. Luft! Sie merkte, wie sich ihre Wahrnehmung verwirrte. Die Not war so groß, dass sie schreien wollte, aber alles, was sie hörte, war das Gurgeln in ihrer Kehle.
    Luft …!
    Sie fühlte sich emporgerissen. Ein Schlag traf sie zwischen die Schulterblätter. Eine Faust presste sich ruckartig unter ihr Brustbein. Ein Brocken flog aus ihrer Kehle. Sie krümmte sich zusammen und erbrach sich ein drittes Mal, dann erst konnte sie Luft holen, dann erst entfaltete sich ihre Lunge, dann erst fand die Not ein Ende. Sie sackte zusammen, plötzlich zitternd, plötzlich schweißnass und dennoch eiskalt. Sie hörte, wie der Jemand, der sie immer noch festhielt, ihr ins Ohr flüsterte, dass sie keine Angst zu haben brauchte, es war wieder vorbei, sie hatte nur etwas in den Hals bekommen, und sie erkannte die Stimme Elsbeths. Die Schwester hatte sie gerettet. Ohne es wirklich zu registrieren, sah sie die Männer mit offenen Mündern zu ihr herabstarren. Nur einer war ihr außer Schwester Elsbeth beigesprungen: Wilbrand. Er lächelte sie verzerrt an, das Vorderteil der Tunika von ihrem Erbrochenen besudelt, und klopfte ihr unbeholfen auf die Schulter.
    Angst? Hatte Elsbeth gesagt, sie brauche keine Angst zu haben?
    Ha …!
    Sie hatte keine Angst gehabt, als sie beinahe erstickt war, oder besser: Sie hatte zuvor schon so viel Angst verspürt, dass sie nicht mehr hatte größer werden können.
    Sie spürte, wie sich ihr Magen erneut hob. Elsbeth hielt sie, während Galle und Wasser aus ihrem Mund liefen. Es war fast so wie in Ebra, als sie vor der Latrine gekauert war und Ella sie gehalten hatte. War es nicht ein Hohn? Die einzigen Menschen, die nicht zögerten, ihr beizustehen, waren ein unfähiger Baumeister, eine Magd, der sie nur Verachtung entgegenbrachte, und eine Klosterschwester, die ihre Feindin war. Sie fühlte, wie ein Schluchzen sich Bahn brechen wollte, und versuchte es zu unterdrücken, aber das Schluchzen war stärker.
    Keine Angst mehr?
    Die Vergangenheit war soeben nach Wizinsten zurückgekehrt, und sie bestand aus einem einäugigen Mann mit einer Kapuze über dem Kopf, der den Hügel heraufstapfte. Der Mann war nicht allein – nur für Constantia sichtbar gingen drei Schatten neben ihm, ein junger Mann, ein älterer Mann und eine ältere Frau. Wären ihr Vater und ihre Mutter hier gewesen und hätten die drei Schatten sehen können, sie hätten sie sofort wiedererkannt. Sie waren ihre Nachbarn gewesen, bis zu jenem Tag, an dem ein junges Mädchen namens Constantia allein in das Haus hinübergegangen und verändert zurückgekommen war.
    Sie hätte vor ihrer Hochzeit beichten sollen, dann wären wenigstens diese Gespenster nicht mehr wiedergekommen!
    »Sorg dich nicht«, hörte sie Elsbeth in ihr Ohr flüstern. Sie fühlte sich hochgehoben. Ihr Körper schüttelte sich in

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