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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Kaiser Federicos war, und man wusste nicht, was der Ehrwürdige Vater anstellen würde, um dem Kaiser zu schaden.
    Elsbeth hatte sich mit einem jungen Mädchen angefreundet, mit dem sie sich nur mit Händen und Füßen unterhalten konnte. Sie wusste nicht viel von ihr – nur, dass sie Adaliz hieß und dass ihre Mutter eine der Anführerinnen der Ketzerdelegation war. Adaliz war ebenso fasziniert-befremdet gewesen von Pomp und Pracht der katholischen Glaubensausübung wie Elsbeth von dem Wenigen, was sie vom Glauben der Katharer erfahren hatte. Sie nannten sich selbst boni christiani , die guten Christen, oder Bonhommes; sie teilten sich auf in audites , deren Leben sich nicht sehr von dem der anderen Menschen unterschied, in credentes , die durch eine Zeremonie in diesen nächsthöheren Stand erhoben wurden und zu steter Nächstenliebe verpflichtet waren, und in perfecti , die den Genuss von Fleisch und Alkohol ablehnten, in absoluter Keuschheit und Askese lebten, Fundstücke zurückbrachten und sogar Tiere aus Fallen befreiten, wenn es möglich war, den Jäger dafür finanziell zu entschädigen. Sie wurden wie lebende Heilige verehrt. Jeder Ketzer strebte danach, das Stadium der Vollkommenheit zu erlangen; jeder perfectus , der einen Fehltritt beging, fiel auf die Stufe der credentes zurück und musste sich die Vollkommenheit erst wieder neu erarbeiten. Sie glaubten daran, dass die Welt vom Bösen erschaffen worden war und dass die Seelen darin gefangen waren, dass Gott in einer Welt des Lichts existierte, die jenseits der menschlichen Existenz bestand, dass Jesus Christus kein Mensch, sondern eine Lichterscheinung gewesen war, die Gott gesandt hatte, und dass die Erlösung nicht in der katholischen Kirche gefunden werden konnte. Für sie gab es keine Gotteshäuser, weil nur der freie Himmel Gottes wahrer Tempel war; die Bibel war in Wahrheit ein Buch des Satans und das Kreuz nicht das Symbol der Erlösung, sondern ein Folterinstrument.
    Sie sahen die Frauen als vollkommen gleichberechtigt an.
    Und sie hatten ganz besondere Einsichten, was das Geben von Leben im Akt der Zeugung war, doch weder Elsbeths noch Adaliz’ Wortschatz und persönliche Erfahrungen reichten aus, um diesen Glaubenssatz beleuchten zu können.
    Am Ende waren die Soldaten des Bischofs gekommen.
    Es hätte Tote gegeben an diesem Tag; vielleicht hätten die Eiferer den Dom mit allen darin befindlichen Seelen angesteckt. Man munkelte ohnehin, dass der Bischof sich damit trug, ihn ganz neu zu errichten. Elsbeth glaubte verstanden zu haben, was Adaliz ihr über die Stadt Bezers zu berichten versucht hatte, die einst ihrer Familie gehört hatte, und sie war atemlos vor Angst gewesen, als die Soldaten brüllend und fackelschwenkend in den Dom geplatzt waren. Nach der ersten Panik hatten sich die älteren Frauen und die Gattinnen der Barone nach vorn gedrängt und die Kinder, Mädchen und die anderen Katharerinnen in ihre Mitte genommen. Kurzatmig und mit angstschriller Stimme hatte auch Elsbeth ihren Ordensschwestern befohlen, sich in der vordersten Reihe aufzustellen. Sie hatten ihr gehorcht, obwohl sie bei weitem die Jüngste gewesen war; aber sie war die Schwester der Äbtissin, und sie war die Einzige, die halbwegs so etwas wie einen klaren Kopf bewahrte.
    Die Soldaten rückten näher. Elsbeth spürte die Nähe von Adaliz’ Mutter, die eine voll erblühte, strenge Schönheit war, als beruhigend, fühlte sich gleichzeitig von Gott verlassen, weil Lucardis nicht da war, und weinte innerlich wegen der Angst, die die Kinder ausstanden. Sie versuchte zu beten, aber ihr Hirn war völlig leer. Sie flehte zu Gott, einen Engel zu senden, der sie alle rettete, bis ihr klarwurde, dass sie vor ihrem inneren Auge keine Engelsgestalt sah, die zu Hilfe eilte, sondern einen jungen Mann auf einem Pferd, dessen Haltung so selbstbewusst und dessen Stolz so unverletzbar waren, dass er kraft seines Auftretens die Soldaten vertrieb. Es war nicht irgendein Reiter, den ihre Angst ihr zeigte. Beinahe entrückt machte sie sich klar, dass es der Reiter im Papinbercer Dom war, den sie sah und der noch aus der Erinnerung an ihren ersten Besuch dort stammte, als ihr Vater ihr die Figur gezeigt und geflüstert hatte, dies sei das Abbild des Mannes, der die Scharen des Bösen bekämpfen und sie alle vor dem Untergang retten und ins Licht führen würde. Erst viel später hatte sie gelernt, was es bedeutete, der Kaiser zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon gewusst, dass

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