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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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den Leibwächtern des Persers zerrten seinen Insassen heraus. Er knickte ein, als sie ihn in die Höhe zogen, aber nach ein paar Schritten schaffte er es, allein zu gehen. Sie stießen ihn vorwärts, dann nötigten sie ihn ebenso brutal wie die anderen zuvor, niederzuknien. Nun waren sie zu viert, die inmitten des Platzes knieten, als warteten sie auf die Hinrichtung. Ein Stein flog. Rogers zog den Kopf ein. Der Stein prallte von seiner Schulter ab. Sonst tat sich nichts Gravierendes. Ein zweiter Stein blieb aus. Etwa zweihundert Augenpaare folgten jeder kleinsten Bewegung der vier Männer, so dass sie sich fühlten, als klebten sie in einem unsichtbaren Netz fest.
    »Wer seid ihr?«, flüsterte der Mann aus dem Käfig. Rogers brauchte ein paar Sekunden, bis ihm klar war, dass er Latein gesprochen hatte. Godefroy horchte auf; auch er konnte Latein. Walter starrte den Neuen an. Wie jeder gute Engländer verstand er außer seiner eigenen Sprache nichts anderes.
    »Wir sind die Attraktion des heutigen Tages«, sagte Rogers.
    Der Neue gaffte ihn an.
    »Dies hier ist keine Hinrichtung«, erklärte Rogers. »Es sieht nur so aus. Oder jedenfalls hat eine Situation wie diese bis jetzt nicht zur Hinrichtung geführt. Mit deinem Hinzukommen kann sich das natürlich ändern. Wenn dir das ein Trost ist.«
    »Wie lange dauert es, bis man in diesem Land die Fähigkeit verliert, sich vernünftig auszudrücken?«, fragte der Neue.
    »Bis man so aussieht wie wir«, erwiderte Rogers.
    Der fremde Ritter räusperte sich. »Ich bin Hertwig von Staleberc.«
    »Aus dem Reich, dem Namen nach?«
    Hertwig nickte.
    Rogers machte eine Kopfbewegung. »Der hier, der auch vorher nicht besonders menschenähnlich ausgesehen hat, ist Godefroy. Der andere, der kein Wort versteht, weil er schon Schwierigkeiten mit seiner eigenen Sprache hat, ist Walter. Ich bin Rogers.«
    »Was hast du zu ihm gesagt?«, fragte Walter in dem nordfranzösischen Dialekt, der die Muttersprache eines guten Engländers war.
    »Dass du der englische König bist, es aber aus Bescheidenheit nicht zugeben wirst.«
    »Was hat er gefragt?«, erkundigte sich Hertwig.
    »Ob du eine jüngere Schwester hast, die einen strammen Engländer heiraten möchte.«
    Der Perser und die Männer um den Dorfvorsteher kamen wieder aus dem Turm heraus. Der Perser vollführte ein paar herrische Handbewegungen. Rogers und die anderen wurden unsanft in die Höhe gezogen und zum Eingang des Turms gezerrt. Enttäuschtes Gemurmel machte sich unter den Zuschauern breit. Man schob sie in das Untergeschoss hinein, das außer einem harten, trockenen Boden und einer Leiter ins nächste Geschoss hinauf nichts aufwies, dann bauten sich drei der Wächter breitbeinig vor dem Eingang auf. Sie hinderten die Leute draußen nicht, hereinzugaffen, aber als einer etwas näher drängte, wurde er zurückgestoßen. Im Inneren des Turms war es nicht kühl, aber wenigstens waren sie im Schatten. Rogers reckte die Schultern und versuchte, seine in den Fesseln erstarrten Hände zu bewegen. Ächzend hockte er sich auf den Boden.
    »Was geschieht jetzt?«, fragte Hertwig von Staleberc.
    »Keine Ahnung«, sagte Rogers. »Das ist heute auch für uns neu.«
    »Normalerweise«, erklärte Godefroy, »werden wir rumgezeigt, der Perser erzählt, dass wir ungläubige Schweine, außerdem Hurentreiber, Menschenfresser und alles sonst sind, was die Leute hier mit dem Namen ›Franken‹ in Verbindung bringen, dann erzählt er noch, wie unglaublich dämlich wir alle waren, dass wir uns haben fangen lassen, die Kinder werfen ein paar Steine, die Weiber spucken uns an, die Männer verfluchen uns, alle sind glücklich, und weiter geht die Reise in das nächste glorreiche Kaff in diesem wunderbaren Land von Milch und Honig.«
    »Besser, du findest dich damit ab, denn wie es aussieht, will der Perser dich kaufen. Herzlich willkommen«, sagte Rogers.
    Hertwig blinzelte ratlos.
    »Hast du schon mal zu Hause miterlebt, wenn Gaukler ins Dorf gekommen sind und einen Idioten oder einen Krüppel gegen Geld hergezeigt haben?«, fragte Rogers.
    Hertwig nickte.
    »Hierzulande sind wir die Krüppel.«
    »Oder die Idioten, ganz wie du willst«, erklärte Godefroy.
    »Was für eine elende Sache«, knurrte Hertwig. Er spähte zum Eingang des Turms und kniff die Lippen zusammen. »Ich mache mir Sorgen.«
    »Dazu hast du auch Grund, mein Junge«, sagte Godefroy.
    »Nicht um mich«, erwiderte Hertwig. »Aber hier in diesem Dorf wird noch eine Frau gefangen

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