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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dass man ihn eingerichtet hatte. Das Rathaus der Stadt war geblieben, wo es war – weiterhin heftig mit den bischöflichen Steuern belastet.
    Diese Erklärung sowie der Gedanke an das zisterziensische Vertrauen in die Zukunft der göttlichen Schöpfung waren zwei der Gründe, die Elsbeth in den vergangenen Wochen ständig in den Dom geführt hatten. Der dritte Grund …
    … der dritte Grund hatte mit Colnaburg zu tun und schon vorher dafür gesorgt, dass Elsbeth den Dom als einen ihrer Zufluchtsorte in Papinberc betrachtete. Er beherbergte einen Helfer.
    Der Helfer war Erinnerung, aus Stein gemeißelt, auf einen Sockel gestellt und vom ersten Tag seiner Existenz an ein Mysterium in sich.
    Die Erinnerung war die an einen Helden, der hundert Menschenleben gerettet hatte – und ihres dazu.
    Elsbeth drückte das Portal auf und schob sich in den Dom hinein. Sie sah sich um. Es war immer das Gleiche – sie betrat den Dom und war plötzlich an einem anderen Ort, in einer anderen Kathedrale, nämlich dem Hildeboldsdom in Colnaburg. Sie war wieder unter den Menschen, die glaubten, dass nur das Reine die Schöpfung Gottes war und die stoffliche Welt die Ausgeburt eines bösen Demiurgen …
    … die Schreie der Kinder, als die Soldaten plötzlich in die Kirche eindrangen, der Priester, der ihnen mit einem Kruzifix in den Händen entgegenlief und »Asyl, Asyl!« rief und sofort zu Boden gestoßen wurde, die gezogenen Schwerter, die gespannten Armbrüste, die Fackeln, die hochgehalten wurden, damit sie nicht verloschen, damit sie noch Kraft hatten, das Feuer zu entzünden, in dem die Unglücklichen, die in der Kirche Schutz gesucht hatten, in den nächsten Minuten zappeln würden …
    … und die eigenen sich überschlagenden Gefühle, die schrien: ›Dies ist die heilige Mutter Kirche, der ich meinen Eid gegeben habe, und jeder, der sich unter ihre Fittiche begibt, soll unversehrt bleiben!‹, während ein anderer Teil von ihr voller Rachsucht dachte: ›Sie behaupten, diese Kirche, an die ich mich gebunden habe, ist schmutzig und unrein und das Werk des Teufels! Was sie gesagt haben, kommt nun über sie!‹
    … und der kleine Junge, der voller Angst schrie und schrie auf den Armen seiner Mutter, und deren Blicke, die panisch und voller verzweifelter Hoffnung an ihr, Schwester Elsbeth, und der Handvoll anderer Zisterziensernonnen hingen, die sich unter die Ketzer gemischt hatten …
    Anfang 1246 waren sie nach Colnaburg gepilgert: Äbtissin Lucardis, Schwester Elsbeth, ein halbes Dutzend weiterer Schwestern sowie Papinbercer Bürger. Für Elsbeth war es die erste Reise gewesen, seitdem sie ihre Heimat verlassen und ins Kloster Sankt Maria und Theodor eingetreten war. Sie war aufgeregt gewesen und beinahe sprachlos vor inbrünstiger Erregung, dass sie vor den Reliquien der Heiligen Drei Könige würde beten dürfen. Tatsächlich war ihre religiöse Verzückung nicht einmal so groß gewesen, als sie ihre ewige Profess abgelegt hatte.
    In den Gassen Colnaburgs hatte Aufregung gebrodelt. Die letzte große Ketzerfestung in Frankreich, Montsegur, war gefallen, zweihundert Häretiker waren an Ort und Stelle bei lebendigem Leib verbrannt worden. Colnaburg mochte einen gewaltigen Dom beherbergen und die Knochen der Heiligen Drei Könige – aber Colnaburg war auch die Hochburg der Ketzerei gewesen, und zwar in jenen Jahren, in denen die Lehren der Albigenser von Böhmen kommend auf dem Vormarsch nach Frankreich gewesen waren. Es bestanden alte Verbindungen ins Langue d’Oc, und zudem gab es im Reich unter einem Kaiser Federico keinerlei Ketzerverfolgung, anders als im Frankreich des heiligen Mönchskönigs Louis. Eine Abordnung von Frauen und Kindern einflussreicher französischer Barone und Grafen war nach Colnaburg gekommen, war nach Colnaburg geflohen oder hatte die Reise im Auftrag ihrer Ehemänner, Väter und Brüder angetreten, die sich versteckt halten mussten. Der Kanzler des Kaisers hielt sich in Colnaburg auf, der eine oder andere munkelte, Il Stupor Mundi wäre höchstselbst anwesend, um die Klagen der Häretiker anzuhören und zu beraten, wie man ihnen helfen könnte.
    Elsbeth und die anderen Zisterzienserinnen hielten sich untertags meistens im Dom auf. Im Schutz seines Asyls lebten dort etwa hundert Menschen, und das seit Wochen – die Frauen und Kinder aus dem Langue d’Oc. Man hatte sie dort untergebracht, damit sie in Sicherheit waren. Colnaburg war auch die Stadt eines Bischofs, der der erklärte Feind

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