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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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durchaus kontrovers diskutiert wurde, wen der stolze Reiter wirklich darstellte, weil der Bildhauer hartnäckig geschwiegen hatte und früh gestorben war. Es war ihr stets egal gewesen; für sie war der schlanke, schöne Mann auf dem Pferd für immer der Ritter, der einst kommen und sie retten würde.
    Was Colnaburg betraf, so erfüllte sich diese Gewissheit.
    Das Portal des Doms flog plötzlich auf, und ein einzelner Mann kam auf einem Pferd hereingetrabt. Er wirkte, als hätte er alle Zeit der Welt und fühle sich nicht im Mindesten fehl am Platz, obwohl er auf dem Rücken eines Pferdes eine Kirche betrat und seinen Helm nicht abnahm und auch sein Schwert nicht am Eingang ablegte. Noch weniger schienen ihn die Soldaten zu kümmern, die sich verblüfft zu ihm umdrehten. Er trieb sein Pferd an, und es trabte auf die Soldaten los, und diese, viel zu erstaunt, um anders zu reagieren, wichen beiseite. Als ihnen aufging, was sie getan hatten, war der Reiter schon durch die Gasse geritten und hatte sein Pferd vor den Frauen gezügelt. Er nickte ihnen zu, dann sah er Elsbeth an …
    … und eine ganz widersinnige, absurde, noch viel größere Angst als die vor den Untaten der Soldaten ergriff von Elsbeth Besitz, nämlich die Angst, der Reiter könne sie hässlich finden.
    Er nickte auch ihr zu. Sie war wie erstarrt. Sie sah das Lächeln, das sich auf seine Lippen stahl, und verging beim Blick in seine Augen, die aus den Schatten von Helm und Nasenschutz hervorfunkelten. Das Gesicht des Mannes war unkenntlich. In ihrem Herzen wusste Elsbeth, dass es das Gesicht des Reiters aus dem Papinbercer Dom war. Er war gekommen, um sie zu retten.
    Der Reiter wendete das Pferd, bis er die Soldaten ansehen konnte. Dann zog er sein Schwert, legte es quer über den Sattel und streifte mit der anderen Hand den Lederriemen des Helms über das Kinn. Er sagte kein Wort. Elsbeth sah nur noch seinen Rücken, aber sie war sicher, dass er immer noch lächelte.
    Nach ein paar Herzschlägen kehrten die ersten Soldaten in der hinteren Reihe um und schlichen aus der Kirche. Es wurden mehr und immer mehr. Zuletzt standen nur noch die Sergeanten an ihren Plätzen. Sie wechselten Blicke, dann senkten sie unisono vor dem Reiter das Haupt und marschierten hinaus. Es war so still, dass Elsbeth meinte, den Herzschlag des großen, massigen Pferdes zu hören.
    Der Reiter steckte das Schwert wieder ein. Dann stieg er ab, stapfte auf Elsbeth zu, verbeugte sich, nahm sie an den Schultern, zog sie zu sich heran und küsste sie.
    Hätte er sie in diesem Augenblick gefragt, ob sie dem Orden entsagen wolle, sie hätte Ja! gerufen. Hätte er ihr ein Leben gezeigt, das aus Mühsal und Dreck und Schande bestand, sie hätte es freudig gewählt, wenn es der Preis dafür gewesen wäre, es an seiner Seite zu leben.
    Es war dieses Geheimnis, das sie Lucardis nie offenbart hatte. Es war zu schmerzhaft und zu kostbar zugleich – schmerzhaft wegen ihres Willens, den Orden wegen eines Kusses zu verlassen, und kostbar, weil sie manchmal, in stillen Stunden, den Kuss immer noch spüren konnte.
    Am nächsten Tag umstellten Soldaten des Kaisers den Dom und kontrollierten jeden, der hineinwollte. Die Sergeanten des Bischofs wurden von ihrem Herrn bestraft, weil sie angeblich eigenmächtig gehandelt hatten. Die Gefahr war vorüber, und es war niemandem etwas passiert, wenn man davon absah, dass Elsbeth bis in die Grundfesten ihrer Seele erschüttert worden war. Doch die befremdeten Seitenblicke, die ihr Lucardis zuwarf, spürte sie kaum. Sie war selbst damit beschäftigt, jemandem Seitenblicke zuzuwerfen, nämlich Adaliz’ Mutter, von der sie mittlerweile wusste, dass sie Sariz de Fois war, die Frau von Ramons Trencavel, dem mächtigsten Ketzerfürsten des Langue d’Oc. Sariz schien vom Eingreifen des Reiters nicht weniger aus dem Gleichgewicht gebracht als Elsbeth, und langsam wurde ihr klar, dass sie ihn, obwohl er sich nichts dergleichen hatte anmerken lassen und auch sie kein Wort zu ihm gesprochen hatte, sehr gut kannte.
    »Schwester Elsbeth?«
    »Hm?« Elsbeth schüttelte die Erinnerung ab und wandte sich um. Reinhild, die Novizin mit dem überschäumenden Wissen, stand im immer noch geöffneten Portal des Doms und musterte sie erwartungsvoll. Elsbeth merkte, dass sie einfach stehen geblieben war. Sie zuckte entschuldigend die Schultern und trat beiseite. Reinhild und nach ihr Adelheid betraten den Dom, senkten die Köpfe und falteten die Hände.
    Es schickte sich nicht

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