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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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geben, seinen Souverän bei der festtäglichen Geschenkübergabe nicht zu vergessen.
    Rudolf nickte. Ein böses Grinsen stahl sich auf seine Züge.
    »Ja«, sagte Ramons zu Rogers, als habe die Unterbrechung nicht stattgefunden, aber eigentlich sprach er zu Rudolf und nicht zu Rogers, »Graf Rudolf wollte schon damals das Gleiche wie Federico. So ist das mit allen wahrhaft großen Männern – die Köter rennen ihnen stets hinterher. Jetzt hat ihn der Mut verlassen, seine Pläne umzusetzen, und stattdessen tut er sich mit dem anderen Köter zusammen, dem auf dem angeblichen Thron Petri. Federico mag am Ende gescheitert sein, aber die Menschen werden sich an ihn und an sein Geschlecht stets als große Kaiser erinnern. Was immer aus unserem Freund hier wird, an sie wird sich die Geschichte nur mit Verachtung …«
    Gabriel beugte sich zu Ramons hinüber und band ihm ein Tuch um die untere Gesichtshälfte. Ramons schaffte es, trotz des Knebels noch geringschätzig zu schauen. Gabriel wandte sich zu Rudolf um, und dieser machte die gleiche Geste wie vorhin auch in Rogers’ Richtung. Gabriel zog ein zweites Tuch aus der Tasche.
    »Wuff, wuff«, machte Rogers in Rudolfs Richtung. Rudolf lenkte sein Pferd heran, riss die Barbarazweige aus der Mähne von Rogers’ Gaul, knickte sie und beugte sich nach vorn, um sie seinem Gaul zu fressen zu geben. Sein Gesicht mit dem zerlaufenen Kohl um die Augen hätte jedem Fresko vom Jüngsten Gericht Ehre gemacht. Dennoch hätte Rogers über diese Geste lachen müssen, wenn Gabriel den Knebel nicht auf Rudolfs Wink gnadenlos stramm nachgezogen hätte.
    Und wenn sich nicht ständig der Gedanke in seinem Herzen wiederholt hätte, dass er das Verhängnis nicht nur über seine Familie gebracht hatte, sondern jetzt auch noch nach Wizinsten zu Yrmengard führte.
    Als eine kalte Bö ihn plötzlich anwehte und das diesige Wintersonnenlicht erlosch, blickte er auf. Aus dem Westen näherten sich dunkle Wolken. Er wusste, dass sie grob nach Westen reiten mussten, um nach Wizinsten zu gelangen, direkt in das schlechte Wetter hinein. Es hätte nicht passender sein können.
    9.
WIZINSTEN
     

     
    Elsbeth stand im Eingang des alten Klosterbaus und schaute hinaus in die frühe Dämmerung. Das trockene Wetter hatte nicht gehalten. Nach dem Mittag hatte ein unregelmäßiger, kalter Nieselregen eingesetzt, den ein böiger Wind vor sich hertrieb. Der Frost war nicht wiedergekommen, dennoch war es das richtige Wetter, um die morgige Christnacht zu erwarten – im Warmen, vor einem Kamin, mit einem Kessel Würzwein auf dem Feuer … zusammen mit einem Menschen, den man liebte. Niemand brauchte ihr zu sagen, dass derartige Umstände für die wenigsten, auch hier in Wizinsten, zutrafen. Die Familien im unteren Teil der Stadt, entlang der Fischergasse, aber auch in den kleineren Handwerksbetrieben in der Mühlgasse, würden sich unter der Bettdecke zusammendrängen müssen, um etwas Wärme zu bekommen, und wenn ein Feuer in ihren Häuser brannte, dann höchstens im Herd, und es würde das Innere des Hauses mit beißendem Rauch füllen, weil sie das wenige trockene mit viel feuchtem Krüppelholz ergänzt haben würden. Wovon sie träumte, war ein Luxus, den sie in dieser Art nicht einmal im Kloster in Papinberc gehabt hatte; da hatten sie die Ärmsten ihres Sprengels und die Waisenkinder um den vor Hitze brüllenden Kamin im Laienspeisesaal versammelt und hatten für sie gesungen und gebetet, selbst vor Müdigkeit und den Nachwirkungen der Stundengebete in der eiskalten Kirche schlotternd.
    Wovon sie träumte, war das, was sie einen kostbaren Winter lang besessen hatte. Letztes Jahr. Mit Rogers.
    Die Kopfschmerzen kamen wieder. Sie kamen in Wellen, seit Adelheid ihr die Nachricht gebracht hatte, dass Rogers nicht nur in Bezug auf seine wahre Identität gelogen hatte. Manchmal war sie fast dankbar für sie, denn sie waren noch leichter zu ertragen als die schwarze Hoffnungslosigkeit, die sie sonst die meiste Zeit über im Bann hielt. Es war eine Hoffnungslosigkeit von der Art, die einen sich fragen ließ, wie man denn mit ihr weitermachen konnte, wie man mit ihr weiter leben konnte, wie es jemals wieder irgendetwas geben mochte, was dem eigenen Dasein irgendwie Sinn gab. Sie erfüllte einen gleichzeitig mit einer hohlen, verzehrenden Angst vor dem nächsten Tag, vor der nächsten Stunde, weil man ahnte, dass die Hoffnungslosigkeit einen nicht loslassen würde. Wie sie überhaupt in den letzten Tagen einen

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