Die Pforten der Ewigkeit
hatte sich auf seinem Pferd umgewandt, die Augen weit vor Zorn. Ramons richtete sich in den Steigbügeln auf. Pfiffe aus der Menge ertönten und Flüche.
»Ich bin Ramons Trencavel, der Graf von Bezers!«, schrie Ramons zu Rogers’ Überraschung fehlerfrei in deutscher Sprache. Er übertönte die Rüpeleien aus der Gaffermeute mühelos. »Ich bin der letzte der Fürsten aus dem Langue d’Oc. Meine Glaubensgenossen und ich sind gejagt und getäuscht und überlistet und verkauft worden, unsere Bischöfe hat man verbrannt und unsere Frauen und Kinder erschlagen. Dieser Mann – Graf Rudolf von Habisburch – ist der schlimmste von allen Jägern.« Noch mehr Pfiffe und Geschrei. Ramons kümmerte sich nicht darum. »Aber nicht aus dem Grund heraus, dass ihm die Ketzerei ein Greuel ist! Nein! Sondern …«
Ein paar Steine flogen. Keiner traf Rogers’ Vater. Rudolf von Habisburch zerrte sein Pferd herum, um zu Ramons zu gelangen, aber er verhedderte sich zwischen den anderen Gefangenen, und dann kam ihm Rogers plötzlich ganz zufällig in die Quere, als Rudolf sich schon befreit hatte – es war das Einzige, was der fassungslos lauschende Rogers tun konnte.
»Halt’s Maul, Trencavel!«, brüllte Rudolf.
»… sondern einzig und allein aus dem Grund, dass wir, die ihr Ketzer nennt, diesem Mann nicht erlaubt haben, einer von uns zu sein!«
Die Pfiffe und das Gebrüll in den hinteren Rängen gingen weiter, aber in den vorderen Reihen stellten die Gaffer ihren Lärm ein und blinzelten überrascht. Der Kopf des Bischofs, der noch immer auf dem Boden lag, den Steiß in die Höhe gereckt, kam aus der Deckung seiner Arme heraus. Er sah Rudolf mit offenem Mund an.
»Er bot uns an, uns in den Krieg gegen die römische Kirche zu führen – in den Krieg gegen euch und euren Glauben! Er wollte unser Anführer sein und den Papst und die katholische Kirche und alle, die eures Glaubens sind, in Strömen von Blut von der Erde waschen!«
Wozu erfindet er das? , dachte Rogers verwirrt, bis er das Gesicht Rudolfs sah, als dieser endlich an Ramons’ Seite angelangt war und ihn in den Sattel zurückzog. Rogers fühlte, wie die Welt um ihn herum schwankte. Sein Vater sprach die reine Wahrheit!
»Halt’s Maul, Trencavel, oder ich stech dich ab!«, brüllte Rudolf und drückte Ramons seinen Dolch gegen den Hals.
»Du tötest mich nicht, weil du mich noch brauchst!«, brüllte Ramons zurück. »Hört mir zu, Bürger von Papinberc! Graf Rudolf hatte nur eine Bedingung – wenn wir unter seiner Führung gesiegt hätten, wollte er der Kaiser des neuen Reichs sein, das unter unserem Glauben errichtet würde!«
»Halt endlich dein Maul!«, röhrte Rudolf. »Halt’s Maul, oder ich werfe deine Tochter dem Mob vor und lasse dich zusehen, wie sie sie in Stücke reißen!«
Er blickte sich mit wild rollenden Augen um und schien zu erkennen, dass die Pöbeleien aufgehört hatten. Mindestens hundert Gesichter starrten ihn wortlos an, bleich geworden, die Augen groß und rund, und dabei waren seine Soldaten oder der Bischof zu Füßen seines Pferdes noch gar nicht mitgezählt. Es flogen keine Steine mehr. Man hätte eine Feder auf den Boden fallen hören, so still war es. Diese Meute würde niemanden in Stücke reißen.
»Du hättest mich einfach nur weiterschreien lassen müssen, und keiner hätte mir ein Wort geglaubt«, sagte Ramons halblaut, dem ein Blutfaden von Rudolfs Klinge den Hals hinunterrann. Rogers sah, dass er recht hatte. Den Gaffern erging es wie ihm. Sie hatten einen Blick in Rudolfs Gesicht getan und erkannt, dass Ramons die Wahrheit sprach.
Rudolf begann zu zittern. Sein Kopf zuckte wie in einem Krampfanfall, dann warf er ihn in den Nacken und stieß ein Wolfsgeheul aus. Er schleuderte seinen Dolch zu Boden und brüllte unartikuliert, doch dann wurden aus dem Gebrüll Worte. Er sprühte Schaum und Spucke. Kohl und Rouge rannen über seine Wangen.
» AAAAAAAAaaaaaaholtmirseinweibundreißtihrdiekleidervomleibundspießtsiehiervorseinenaugenaufdengassenboooo …«
Rogers gab seinem Pferd einen Stoß in die Weichen, und es sprang erschrocken nach vorne und rammte Rudolfs Ross. Der schwere Gaul bockte und warf Rudolf über seinen Hals hinweg ab. Rudolf flog direkt auf Bischof Heinrich, der sich eben aufgerappelt hatte. Die beiden rollten über die Gasse. Rudolfs Streitross hüpfte in kuriosen Bocksprüngen über den Platz und zerstreute die Menge. Die Soldaten gingen vor den Hufen in Deckung. Der Bischof und Rudolf
Weitere Kostenlose Bücher