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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Allmählich war Hildebrands Herzschlag nur noch doppelt so schnell wie normal. Er wagte es, Azrael ins Gesicht zu schauen. Zu seiner Verblüffung erkannte er, dass der Einsiedler den größten Teil seines wilden Haares und den Bart abgeschnitten hatte. Er wollte fragen, warum er das getan hatte, dann fiel ihm die Erklärung ein. Er hatte einmal am Vorabend eines Scharmützels bei Fußsoldaten gesessen und ihnen dabei zugesehen, wie sie sich gegenseitig die Haare geschoren hatten. »Im Kampf«, hatte einer gesagt, »versuchst du dem Schweinehund, der dir gegenübersteht, so wenig wie möglich zu packen zu geben.« Ein anderer hatte sich einen Lederlappen wie eine Bruche stramm zwischen die Beine gebunden. »Und zwar an gar keiner Stelle«, hatte er ergänzt.
    Zog Bruder Azrael in den Kampf? Hildebrands Blicke fielen auf die Axt und das Schwert. Beide waren ebenso wie die Armbrust in tadellosem Zustand.
    »Welche Wappenfarben tragen die Gefangenen?«, fragte Azrael.
    »Wie bitte?«
    Der Einsiedler gab ihm einen Schlag gegen den Hinterkopf. »Wappenfarben!«
    »Ich … weiß nicht … gar keine …« Dann fiel ihm ein, dass der Graf gestern Abend, als sie alle abgestiegen waren, plötzlich einen Stofffetzen in seiner Satteltasche gefunden hatte und ihn dem älteren der Gefangenen mit einer Fibel an sein Gewand geheftet hatte. Die verächtliche Geste und die Zerschlissenheit des Fetzens hatten es wirken lassen, als würde einem Juden gewaltsam ein Judenfleck angeheftet. Er sagte es Azrael.
    »Welche Farben waren auf dem Fetzen?«
    »Keine Ahnung. Ich dachte nicht, dass es wichtig …«
    »Idiot!« Azrael packte ihn im Nacken und drehte ihm den Kopf herum, so dass er den Körper mitdrehen musste, wenn er nicht einen Genickbruch erleiden wollte. »Schau hin! Meine Augen sind nicht mehr so gut auf die Entfernung!«
    Hildebrand spähte ins Tal hinunter. Azraels grober Griff verschwand, dafür hatte er den Atem des Einsiedlers im Ohr. »Na?«
    »Der Fetzen ist nicht größer als zwei Handteller!«, protestierte Hildebrand.
    »Mehr wird auch nicht von dir übrig bleiben, wenn du dich nicht anstrengst.«
    Hildebrand kniff die Augen zusammen. Sein Herzschlag trommelte nun wieder mit der dreifachen Geschwindigkeit. Er versuchte sich daran zu erinnern, was er gestern gesehen hatte. Von hier aus konnte man erkennen, dass der Gefangene den Fetzen immer noch trug, aber wirklich zu erkennen, was darauf war …
    »Rot und Silber«, sagte er langsam, als die Erinnerung hochstieg. »Ein Muster im silbernen Feld – beinahe wie auf einem Hermelinmantel.«
    »Sieh an, sieh an«, flüsterte Azrael. »Hat der Graf ihn am Ende gekriegt. Und wo will er mit den Gefangenen hin?«
    »Er hat gesagt, sie zögen nach Wizinsten.« Hildebrand erinnerte sich, dass er dem Grafen dabei ins Gesicht gesehen und gedacht hatte, wenn es einen Platz gab, an dem er in den nächsten Tagen nicht sein wollte, dann war es Wizinsten. »Was hat es mit den Wappenfarben auf sich? Rot und Silber mit Hermelinmuster – das habe ich noch nie gesehen. Kennst du es?«
    Der Einsiedler antwortete nicht. Hildebrand wandte sich um. Er war wieder ganz allein, und nur die Kratzer von Azraels langen Fingernägeln in seinem Nacken bewiesen, dass der Einsiedler überhaupt dagewesen war. Unten zogen die Soldaten, der Graf und seine Gefangenen ab. Der unheimliche Gabriel bildete ganz allein die Nachhut. Er war so unvermittelt aufgetaucht wie Bruder Azrael vorhin hinter Hildebrand.
    Der Sakristan legte den Kopf auf die Arme. Nicht einmal der verstockteste Ketzer hatte es verdient, dass der Tag des Christfestes so begann wie heute für ihn. Dies war garantiert der schlimmste Morgen, den er je erlebt hatte.
    Hätte er gewusst, welche Botschaft unten im Kloster auf ihn wartete, wäre ihm klar gewesen, dass immer noch eine Steigerung möglich war.
    11.
WIZINSTEN
     

     
    Die Glocke von Sankt Mauritius begann langsam zu bimmeln. Jeder blecherne Glockenschlag schien einen Nagel in Elsbeths Schädeldecke zu treiben. Eine Bö trieb ihr den Regen ins Gesicht. Sie erschauerte.
    »Wollen wir gehen?«, fragte eine Stimme in ihrem Rücken, während ihr jemand den einen der drei geschenkten Mäntel über die Schultern legte. »Wir haben es versprochen.«
    Elsbeth atmete tief ein und aus. Eine Woge aus Übelkeit lief über sie hinweg. Sie versuchte sie abzuschütteln, aber ihr wurde nur schwindlig.
    »Elsbeth? Hochwürden Fridebracht wartet auf uns.«
    Elsbeth drehte sich um. Geht ohne mich ,

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