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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Brocken Fleisch auf und steckte ihn sich in den Mund, obwohl sein Magen sich dagegen verschloss. Kauend wandte er sich um und grinste, sodass das halb zerbissene Fleisch zwischen seinen makellosen Zähnen sichtbar wurde. Der Parlamentär blinzelte krampfhaft. Der Sergeant starrte mit dem leeren Blick des routinierten Soldaten geradeaus.
    »Na?«, sagte Rudolf. »Hunger?«
    Der Parlamentär schüttelte den Kopf und zog eine resignierte Miene, als sofort darauf sein Magen laut knurrte.
    »Sonst hätte ich dir etwas angeboten«, sagte Rudolf. »Aber wie du willst.« Mit einer lässigen Handbewegung wischte er das Fleisch mitsamt der gelierten Soße und dem Brot auf den Boden. Der Parlamentär ächzte und starrte die Hunde an, die von ihrem Lager aufgesprungen waren und nun um das Essen drängelten.
    Rudolf schnappte sich den Weinbecher und trank laut schlürfend. »Was gibt’s?«, fragte er dann.
    Der Parlamentär leckte sich über die Lippen. »Mein Name …«, begann er heiser.
    »… interessiert hier keinen Menschen«, sagte Rudolf. »Was willst du?«
    »Graf Anshelm wäre geneigt, Euch Verhandlungen anzubieten.«
    »Mir scheint, die Formulierung ist nicht ganz zutreffend. Es müsste heißen: Graf Anshelm fleht darum, kapitulieren zu dürfen.«
    »Niemand in Staleberc denkt an Kapitulation«, sagte der Parlamentär und straffte sich.
    »Besonders, wo eure Vorratslager noch ganz voll sind und es jeden Tag Essen in Hülle und Fülle gibt«, Graf Rudolf gab einem der schlabbernden Hunde einen Tritt, »und dazu Graf Anshelms besten Wein.« Er ließ einen weiteren Schluck über die Zunge rinnen und musterte den Parlamentär über den Rand seines Bechers. Dann hielt er ihm unerwartet den Becher hin. Der Parlamentär griff danach und trank, bevor er sich zusammenreißen konnte. Rudolf hörte den winzigen Schluck, den er im Becher gelassen hatte, förmlich durch die ausgedörrte Kehle des Parlamentärs rinnen. Als dieser den Becher zurückgab, zitterten seine Hände.
    »Graf Anshelm bittet um ein Gespräch unter Ehrenmännern«, flüsterte der Parlamentär und ließ die Schultern sinken.
    »Schön, das kann er haben.« Rudolf gab sich einen Ruck. »Sag ihm, er soll sich beeilen. Ich werde auf ihn warten.«
    »Wo?«
    »Wenn er aus der Burg kommt, wird er mich schon sehen.«
    Der Parlamentär zögerte, nickte dann, drehte sich um und wollte aus dem Zelt marschieren.
    »He«, sagte Rudolf.
    Der Parlamentär drehte sich um.
    »Da Graf Anshelm die Bitte ausgesprochen hat, nehme ich an, dass er Wein und Essen bringen wird – wie es unter Ehrenmännern üblich ist.«
    Die Augenwinkel des Parlamentärs zuckten. »Selbstverständlich, Graf Rudolf.«
    Als der Parlamentär gegangen war, warf Rudolf seinem Knappen einen Seitenblick zu. Das Gesicht des jungen Mannes war missbilligend. Rudolf grinste verächtlich in sich hinein. Vielleicht würde er ihn nach Hause schicken, wenn diese Angelegenheit hier beendet war. Seine Lehensritter rissen sich um die Ehre, ihren ältesten Sohn dem Grafen als Knappen anzudienen. Der Erste, den Rudolf nach seinem eigenen Ritterschlag angenommen hatte, war ein brauchbarer Bursche gewesen; er hatte ihm die Schwertleite mit Vergnügen gegeben. Der hier, der Nachfolger, war mittlerweile seit fünf Jahren in Rudolfs Dienst. Die Versuchung war stark, ihm die Schmach anzutun, ihn vor der Erreichung der Volljährigkeit wegzuschicken und die Schwertleite zu verweigern. Andererseits hatte Rudolf genügend Feinde, um sich nicht auch noch den Hass des Vaters des jungen Mannes zuzuziehen.
    »Sergeant!«
    In die Augen des Sergeanten kam Leben. »Herr?«
    »Ist die Blide geladen und gespannt?«
    »Nein, Herr.«
    »Weshalb nicht?«
    »Mein Fehler, Herr. Bitte um Bestrafung.«
    Rudolf lächelte. Natürlich hatte der Sergeant keinen Fehler begangen. Solange ein Parlamentär im Lager war, ruhten die Kampfhandlungen. Eine Blide, die im Grunde genommen nicht viel mehr war als ein langer Arm mit einer Schlinge am einen und einem Gegengewicht am anderen Ende, der in einem Gerüst steckte und mit einem Tretrad gespannt wurde, war ebenso furchterregend als Waffe wie empfindlich. Sie hatten nur diese eine Blide bauen können, weil Rudolf nicht erlaubt hatte, das nötige Baumaterial von weiter her zu holen und damit jede Menge Aufsehen zu erregen. Blieb sie länger gespannt, bestand die Gefahr, dass der Arm brach. Der Sergeant hatte richtig gehandelt. Aber Rudolf mochte Männer, die lieber eine Strafe auf sich nahmen, als

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