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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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langatmig etwas zu erklären, was der Gesprächspartner ohnehin wissen musste.
    »Zehn Rutenstreiche für jeden der Bedienungsmannschaft«, sagte Rudolf. »Für dich ein Fass meines besten Weins mit dem Befehl, es mit der Bedienungsmannschaft zu teilen.«
    »Der Herr ist hart, aber gerecht«, sagte der Sergeant, und Rudolf musste sehr genau hinsehen, um das leise Zucken um seine Mundwinkel zu bemerken.
    »Lass die Blide laden und spannen.«
    »Sehr wohl, Herr. Welches Ziel?«
    »Der Platz vor der Burgmauer, auf dem Graf Anshelm und ich plaudern werden.«
    Rudolf hatte einen Tisch mit zwei Hockern aufstellen lassen und saß jetzt auf einem von ihnen, den Rücken der Burgmauer und den von oben zusehenden Verteidigern zugewandt. Das Kribbeln, das ihm die Wirbelsäule entlanglief, wenn er daran dachte, wie sehr die Bogenschützen dort oben wünschten, ihm einen Pfeil zwischen die Schulterblätter zu jagen, ignorierte er. Graf Anshelm kam in Begleitung seines Wachhauptmanns. Als er sah, dass Rudolf vollkommen allein am Tisch saß, nahm er dem Hauptmann den Korb ab, den dieser getragen hatte, und schickte ihn fort. Der Hauptmann protestierte, aber gehorchte.
    Graf Anshelm von Staleberc war groß, schwer gebaut, mit krausem Haar und einem ebenso krausen Bart, durch den das Alter erste Silberfäden gezogen hatte. Er musste Mitte vierzig sein – ein gutes Dutzend Jahre älter als Rudolf. Wenn man ihn sich schlanker, jünger und blonder vorstellte, kam sein Sohn Hertwig heraus. Rudolf hasste ihn allein schon deswegen. Graf Anshelm musterte Rudolfs Sitzordnung, warf dem feindlichen Lager einen Blick zu, kniff die Augen zusammen, als er die gespannte Blide sah und erkannte, wohin sie ihre Last schleudern würde, wenn sie losgehen sollte, und setzte sich dann. Er ließ sich ebenso wenig wie Rudolf anmerken, wie er sich dabei fühlte, dem Feind den Rücken zukehren zu müssen.
    »Graf«, sagte Rudolf und nickte gelassen.
    »Bastard«, erwiderte Anshelm.
    »Schön«, sagte Rudolf. »Genug der Höflichkeiten.« Er tat so, als interessiere er sich für den Inhalt des Korbes. »Was habt Ihr mitgebracht, Graf? Ob Ihr’s glaubt oder nicht, ich habe tatsächlich Appetit.«
    Graf Anshelm, dessen Gesichtshaut nach mehrwöchiger extrem schmaler Kost grau und trocken geworden war und unter dessen Augen tiefe Schatten lagen, begann auszupacken – zwei Becher, einen Tonkrug, etwas, das in Leder geschlagen war und sich als Brot entpuppte. Er goss aus dem Krug in die Becher und stellte einen davon vor Rudolf ab. Dann brach er das Brot in der Mitte durch und reichte Rudolf ein Teil. Es war klumpig, feucht und von grünen Schimmelflecken durchzogen. Der Becherinhalt war Wasser, das roch wie aus einem Teich, in dem ein großes Fischsterben geherrscht hatte.
    »Wenn Ihr mir gesagt hättet, dass Euch der Wein ausgegangen ist, hätte ich welchen mitgenommen«, sagte Rudolf.
    Graf Anshelm musterte ihn unter halb geschlossenen Lidern heraus, ohne ein Wort zu sagen. Rudolf lächelte milde. Dann weiteten sich seine Augen plötzlich, er blickte an Anshelm vorbei und rief: »O Gott, die Blide!«
    Anshelm zuckte zusammen, fuhr herum und warf sich auf den Boden. Rudolf, der sitzen geblieben war, betrachtete ihn interessiert. Nach ein, zwei Herzschlägen hob Anshelm den Kopf und starrte ihn an. Seine Augen loderten vor Zorn. Mühsam richtete er sich auf, zerrte seine Tunika zurecht und setzte sich wieder. Sein Atem ging jetzt schwer.
    »Ich dachte, das Haltetau wäre gerissen«, sagte Rudolf. »Ich habe mich geirrt. Glück gehabt.«
    »Der König wird von all diesen … Ungeheuerlichkeiten erfahren«, zischte Anshelm erstickt.
    »Der König«, sagte Rudolf und nickte. »Jaja, der König …« Er wischte das verschimmelte Brot mit einem Ruck vom Tisch und lehnte sich zu seinem Gesprächspartner hinüber. »Der König ist damit beschäftigt, Männer für seinen Zug nach Sizilien um sich zu scharen«, knurrte er. »Das Gold seines Vaters ist ihm wichtiger als das Wohlergehen der deutschen Länder. Habt Ihr Euch nicht gefragt, Graf Anshelm, warum aus all den Lehen und Dörfern und Städten, die mit Euch verbündet sind, nicht mal eine Maus gekommen ist, um Euch zu helfen und zu versuchen, mich zu vertreiben?«
    Anshelm stierte ihn an. Seine Wangenmuskeln arbeiteten.
    »Weil sie nicht wissen, was sie tun sollen. Es gibt kein Recht mehr in Deutschland, seit der Kaiser tot ist! Und das bedeutet, es gibt doch noch ein Recht, ein einziges nur: das des

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