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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gräfin Jonata, als Rudolf schwieg.
    »Was er mir hätte sagen sollen!«, brüllte Rudolf. »Mir. Mir . MIR! Euer Sohn ist ein Nichts! Mir hätte er es sagen sollen, es war mein Recht, es war mein Augenblick …!«
    Die Gräfin schüttelte langsam den Kopf. Rudolf beruhigte sich schwer atmend. Überall um sich herum sah er große Augenpaare, die sich auf ihn gerichtet hatten, wie man einen Menschen anblickt, der von einem Moment zum anderen plötzlich zu einem Wahnsinnigen geworden ist. Er schluckte nochmals und hätte sich beinahe übergeben, so bitter lief es ihm die Kehle hinunter.
    »Ihr irrt Euch«, sagte Gräfin Jonata. »Es war sein Augenblick. Kaiser Federicos Augenblick. Was immer er meinem Sohn mit seinem letzten Atem verraten hat, Ihr hattet kein Recht darauf. Es war allein die Sache des Kaisers, wem er sich in seinem letzten Moment auf Erden anvertraute.«
    »Es war meine Sache!«, heulte Rudolf. »Es war mein Schicksal!«
    »Ihr seid zu bedauern«, sagte die Gräfin. »Können wir jetzt gehen?«
    Rudolf fuhr sich mit der Hand über den Mund. Er spürte das Zittern darin. Dann sah er ein paar Schritte abseits einen seiner Männer stehen. Als dieser merkte, dass er die Aufmerksamkeit Graf Rudolfs gewonnen hatte, machte er eine kaum merkliche Kopfbewegung zu einem gebeugten Mann mit einem Bündel Decken über der Schulter, einem Armvoll Reisig vor der Brust und einer tief ins Gesicht gezogenen Gugel. Rudolf riss sich zusammen. Er nickte.
    »Was hat Kaiser Federico Eurem Sohn gesagt?«, fragte er. »Er hat es Euch verraten, ich weiß es.«
    »Ich habe meinen Sohn seit Monaten nicht mehr gesehen«, sagte die Gräfin.
    Rudolf trat einen Schritt zurück. »Na gut«, sagte er. »Na gut.« Er gab dem Soldaten einen Wink, und dieser trat mit einem schnellen Schritt zu dem Mann mit der Gugel und packte ihn. Die Decken und das Reisigbündel fielen zu Boden. Ein paar Menschen schrien erschrocken auf. Rudolf war mit zwei, drei Sätzen bei dem sich heftig wehrenden Unbekannten. Dessen langer, wollener Mantel klaffte auf. Die Farben der Tunika, die darunter aufblitzten, schienen in die Augen zu springen – leuchtendes Gold, tiefes Schwarz, ein Hirsch, der über die Brust sprang.
    »Hertwig von Staleberc, du kannst dich hinter noch so vielen Weiberröcken verstecken und dich verkleiden, ich finde dich!«, sagte Rudolf und zog dem Mann mit einem Ruck die Gugel vom Kopf.
    »Mein Sohn ist ins Heilige Land gezogen, noch vor dem Christfest«, sagte Gräfin Jonata.
    Rudolf starrte den jungen Mann mit der gold-schwarzen Tunika wie betäubt an. Er kannte ihn nicht. Er hatte ihn nie gesehen. Mit fühlloser Hand packte er ihn an den Haaren und zog seinen Kopf zur einen Seite, dann zur anderen, als könne er dadurch das Gesicht ändern.
    »Dies ist der Knappe meines Sohnes«, sagte die Gräfin. »Er wollte mit ihm ins Heilige Land ziehen, aber mein Sohn hat es ihm verboten.«
    Hertwigs Knappe spuckte vor Rudolf auf den Boden. Langsam trat der Graf einen Schritt zurück, dann noch einen.
    »Sergeant?«, sagte er.
    »Herr?«
    »Du geleitest die Gräfin, ihre Töchter und diesen Mann hier. Nimm dir ein paar Männer mit, auf die du dich verlassen kannst. Ich wünsche, dass deine Schützlinge ihr Ziel erreichen. Du haftest mir mit deinem Kopf dafür.«
    »Sehr wohl, Herr.«
    »Wann sehe ich meinen Mann wieder?«, fragte Gräfin Jonata.
    »Bald«, sagte Rudolf. Er wandte sich ab und stapfte davon. Vor seinem inneren Auge sah er immer noch den vermeintlich toten Kaiser auf seinem Bett liegen, die blauen Augen, die an ihm vorbeigeblickt hatten. Vor seinem inneren Auge sah er, wie er sein Schwert zog und wie wahnsinnig auf den Leichnam einhackte, bis nur noch eine blutige Masse zwischen den Pelzen lag. Doch dies war nicht geschehen. Kaiser Federico war ohne auch nur einen Kratzer begraben worden.
    Wie hatte all das geschehen können? Wie hatte alles sich in Dreck verwandeln können? Wie hatte er, Rudolf von Habisburch, scheitern können, wo er den Fuß schon auf die Straße gesetzt hatte, die ihn in die Unsterblichkeit hatte führen sollen? Auf Beinen, die mit Werg ausgestopft schienen, taumelte er in sein Zelt.
    Als die Dämmerung hereinbrach, kam der Sergeant mit seinen Männern zurück. Rudolf stand neben der immer noch gespannten Blide und betrachtete das Holz, hörte es stöhnen und ächzen unter der ungeheuren Spannung, die sich zwischen Haltetau und Gegengewicht aufgebaut hatte, fühlte, dass die Spannung in ihm nicht weniger

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