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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Jonatas Augen waren beinahe so blau wie die Kaiser Federicos, und er sah hinein und fühlte sich in der Zeit zurückgeworfen und aus der Hitze eines frühen Sommerabends in die tobenden Regenstürme eines apulischen Winters, die die Mauern von Castel Fiore erzittern ließen. Von den Fensteröffnungen tröpfelten eiskalte Rinnsale und liefen über den Steinboden, in der Düsternis schwarz wie Blut. Der Kaiser lag auf seinem Bett, schon jetzt eine nebensächlich wirkende Figur, verloren zwischen den Fellen und so grau wie die Zisterzienserkutte, die er trug. Sie standen alle um ihn herum; alle bis auf einen: Rudolf von Habisburch. In der Erinnerung sah er sich selbst abseitsstehen, schlank, dunkel, der rote Löwe auf seiner schwarzen Tunika atmend gleichzeitig mit Rudolfs Atemzügen, schön wie ein Engel, elegant, kühl – und innerlich fiebernd vor Erregung. Der Kaiser starb; die Birnen mit Zucker waren tatsächlich nur ein letztes Aufwallen gewesen. Federico hatte gebeichtet; er hatte gebetet. Er hatte über eine Stunde allein mit seinem Sohn Manfredo verbracht. Er hatte sich die Kutte anziehen lassen. Er hatte alles getan, bis auf eines: seine Nachfolge zu regeln.
    Die Männer am Sterbebett Kaiser Federicos wandten sich zu Rudolf um. Auf nahezu allen Gesichtern waren Tränenspuren zu sehen. Rudolfs Augen brannten ebenfalls. Es hatte nichts mit Trauer zu tun.
    »Graf Rudolf«, flüsterte Bischof Berardo de Castagna. »Der Kaiser will mit Euch sprechen.«
    Ganz gelassen bleiben , zischte eine innere Stimme. Du bist am Ziel deiner Wünsche angekommen. Sieger bleiben kühl und gelassen. Zukünftige Kaiser bleiben würdevoll .
    Er beugte sich über das Bett, über das erschöpfte, graue, verhärmte Gesicht des Mannes, mit dem er sein Schicksal verbunden hatte aufgrund eines nie wirklich gesagten Versprechens, für den er alles aufs Spiel gesetzt, zum Ausgestoßenen geworden, exkommuniziert worden war. Nicht für ihn , flüsterte die innere Stimme erneut. Für die Möglichkeit, die seine Freundschaft bedeutete.
    Der Kaiser schlug die Augen auf. Rudolf starrte in das Blau eines apulischen Himmels, das Blau des Meeres an der apulischen Küste. Deutlicher als der körperliche Verfall Federicos zeigten diese Augen, dass er im Begriff war, heimzugehen.
    »Ich bin hier, Majestät«, hörte Rudolf sich sagen.
    »Ich möchte Euch etwas mitteilen«, flüsterte der Kaiser.
    »Ich höre, Majestät.«
    Der Kaiser seufzte. Er sah Rudolf an, dann blickte er an ihm vorbei, als müsse er genau überlegen, was er sagen würde und wie er es sagte, weil es nichts Wichtigeres gab, als diese eine, letzte Botschaft ohne jedes Missverständnis zu übermitteln. Rudolf spürte, wie sein Herz immer langsamer schlug. Es hatte sich gelohnt. Er war am Ziel seiner Wünsche. Er hatte sich all die Jahre über verbogen, verkrümmt, seine wahren Gefühle verborgen, und nun war die Stunde seines Triumphs da. Nie wieder würde er anders als aufrecht gehen, nie wieder würde er seinen Hass verbergen müssen, wenn er ihn fühlte, nie wieder würde er sich demütig zeigen, obwohl er die Macht in sich brodeln spürte. Er nahm sich vor, dem Kaiser ein Denkmal zu errichten, und für einen Augenblick war ihm tatsächlich, als plane er es nur, um die Größe des Verstorbenen zu preisen, bis ihm klar wurde, wie groß er, Kaiser Rudolf, erst in der Empfindung der Menschen sein würde, wenn sein Vorgänger – der ihn persönlich ausgewählt hatte, in seine Fußstapfen zu treten – schon gottgleich war.
    Dies war das Alpha. Alles, was er bisher getan hatte, hatte nur dazu gedient, ihn zum Beginn dieses Wegs zu führen, der ihn unsterblich machen würde. Dies war der Anfang.
    Jemand fasste an ihm vorbei, zitternde Hände, die die blauen Augen von Kaiser Federico zudrückten. Er blinzelte verwirrt. Er hörte jemanden schluchzen.
    Der Kaiser war tot.
    »Und dann«, sagte Rudolf, während die Wut ihn zu ersticken drohte, weil aus den blauen Augen von Gräfin Jonata Tränen liefen, Tränen um den Tod Kaiser Federicos, »dann, während alle sich um das Kruzifix in der Ecke scharten und niederknieten und beteten und ich … und ich … dastand und …« Er griff mit beiden Händen in die Luft, ohne dass es ihm bewusst war. »… dann … richtete sich der Kaiser noch einmal auf, und es war niemand in der Nähe außer Eurem Sohn, der vor dem Bett kniete und weinte wie ein kleiner Junge … und der Kaiser sagte ihm … sagte ihm …«
    »Sagte ihm was?«, fragte

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