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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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längste Zeit ausgesetzt waren, dann müssten wir noch eine oder zwei Stunden unterwegs sein.« Elsbeth spähte in das Wenige, was vom Himmel hier im Wald sichtbar war. Das Firmament war tiefblau, doch unter den Bäumen begannen sich die Schatten bereits zu verdichten. »Ich schätze, es dürfte um die siebte Stunde nach dem Mittag sein – jedenfalls nach dem Vespergebet. Ich hoffe, dass es nur noch eine oder zwei Stunden sind, sonst geraten wir in die Dunkelheit.«
    »Wenn wir hier im Wald übernachten müssen, werden uns die Geister der alten Heiden Gesellschaft leisten«, sagte Reinhild in einem nicht ganz geglückten Versuch, aufgeräumt zu wirken. Elsbeth musterte ihre Begleiterin. Reinhild war in der Regel dem Unsinn und abergläubischen Anwandlungen gegenüber nicht besonders zugänglich.
    »Hast du die letzten beiden Nächte wachgelegen und dem Geschwätz von Bruder Ekpert gelauscht?«
    »Er hat so laut geredet, dass ich nicht einschlafen konnte.«
    »Er hat so laut gelallt «, versetzte Elsbeth. »Und die Geister, von denen er erzählt hat, steckten alle in dem Bierfässchen, das die Brüder mitgeschleppt haben.«
    »Da vorne wird der Wald lichter«, sagte Reinhild. »Wer sagt’s denn.« Sie erhöhte unwillkürlich ihr Schritttempo, und Elsbeth folgte ihr mit einem unterdrückten Lächeln.
    Die nähere Umgebung einer Burg wurde stets gerodet. Dies erfüllte mehrere Zwecke. Die gefällten Bäume stellten das Baumaterial, die freien Flächen konnten verwendet werden, um Ackerfrüchte anzubauen und Obstgärten anzulegen, und nicht zuletzt fand ein anrückender Feind keine Deckung und musste im Belagerungsfall Brennholz und Material für Kriegsmaschinen umständlich über längere Strecken transportieren. Als sie auf die baumlose Fläche hinaustraten, die ihr Ziel umgab, sah Elsbeth als Erstes die frischen Baumstümpfe und den aufgewühlten Boden. In den Furchen wuchs bereits wieder Gras, doch man konnte erkennen, dass die Spuren nicht aus dem letzten Jahr stammten.
    »Hedwigs Vater hat genügend Geld, um seinen Herrensitz weiter auszubauen«, sagte Elsbeth. »Das kommt ja sehr gelegen.«
    »Hoffen wir nur, dass er nicht schon alles für die Vertäfelung seines Rittersaals ausgegeben hat.«
    »Reinhild, hast du heute Morgen aus Versehen einen Pessimisten verspeist?«
    »Ich versuche nur, die Vernunft nicht außer Acht zu lassen.«
    »So wie vorhin, als du mir von den Geistern der Heidenpriester erzählt hast?«
    Die Burg erhob sich am Ende einer ansteigenden Ebene, auf der sich alte Baumstümpfe und Felder abwechselten. Die Straße führte in mehreren Windungen darauf zu, um es einem Angreifer, der mit Wägen und Gerät daherkam, möglichst unbequem zu machen; der Straßenrand bestand dort, wo er der Burg zugewandt war, aus übereinandergeworfenen alten Wurzelballen, die undurchlässiger waren als eine steinerne Mauer. Die Vorburg war mit einem eigenen Torbau gesichert und von einer drei Mannslängen hohen Steinmauer umgeben; die Hauptburg wuchs aus dem Fels, der am Ende der Ebene aus dem Boden gebrochen war, und nutzte dessen natürliche Nischen und Vertiefungen, um Torbauten, Durchlässe und Wehrgänge zu formen. Über allem erhob sich ein wuchtiger Bergfried. Die Burg sah so friedlich und ruhig aus im Abendsonnenschein, dass man beinahe vergessen konnte, was sie war: ein Bau, um Angreifer abzuwehren und die Herrschaft über das Land auszuüben. Elsbeth hörte Abendvögel singen. Von der Vorburg her ertönte das Krähen eines Gockels. Es fehlte nur noch der Klang einer kleinen Kapellenglocke.
    Elsbeth sah sich die Felder genauer an. Man konnte nur schwer erkennen, was die Pächter von Hedwigs Vater angebaut hatten. Gras wuchs in den Ackerfurchen, bedeckte die Flächen, wiegte sich in der Brise. In einem der Felder lagen ein Ochsenjoch und der Pflug, der daran befestigt war. Das Rad, das vor dem Pflug herlief, war zerbrochen. Sämtliche Ketten fehlten und auch die Pflugschar. Um die Holzbalken und den Gabelgriff hatten sich Winden gewickelt. Die Enden des Gabelgriffs ragten aus dem satten Grün wie blankgenagte Knochen. Das Sirren der Grillen klang plötzlich überlaut.
    Sie kletterte weit genug auf den Wurzelwall, um darüber hinwegspähen zu können. Eine Streuobstwiese lag dort, der Boden darunter entweder kniehoch mit Gras bewachsen oder blanke, festgestampfte Erde. Auf den kahlen Stellen lagen Äpfel und faulten vor sich hin. Die Luft über ihnen flimmerte vor Insekten, das Gesumm übertönte beinahe

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