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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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um dessen Stimmung zu erkunden. Der alte Herr war entzückt zu hören, daß Crassus entkommen und in Sicherheit war. Er erkundigte sich nach der Größe der Gesellschaft und befahl seinem Verwalter, jeden Tag Essen zubereiten und an einen versteckten Ort an den Klippen bringen zu lassen. Vibius drohte dem Verwalter mit dem Tod, wenn er seine Nase tiefer in die Angelegenheit stecken oder irgendwelche Gerüchte verbreiten würde, und versprach ihm die Freiheit, wenn er seine Befehle gehorsam ausführen würde. Nach und nach brachte der Mann auch Bücher, Lederbälle zum Trigonspielen und andere Zerstreuungen, ohne die Flüchtlinge oder ihr Versteck je selbst zu Gesicht zu bekommen. Die Höhle -«
    »Oh, diese Höhle«, unterbrach Crassus ihn. »Ich hatte als Junge oft dort gespielt, damals war sie mir geheimnisvoll und gespenstisch vorgekommen wie die Höhle der Sibylle. Sie lag direkt am Meer, doch in sicherer Höhe oberhalb des Strandes, umgeben von steilen Klippen. Der Pfad zu ihrem Eingang ist eng, steil und schwer zu finden; im Innern dehnt sich das Hauptgewölbe der Höhle zu erstaunlicher Höhe mit Kammern zu beiden Seiten. Am Fuß der Klippen entspringt eine klare Quelle, so daß es genug Wasser gibt, und Risse durchziehen den Fels, so daß hinreichend Tageslicht hineinfallt, während man gleichzeitig vor Wind und Regen geschützt ist. Also ein ganz und gar nicht dunkler oder feuchter Ort, dank der Dicke der Felsmauern; die Luft war recht trocken und rein. Ich kam mir wieder vor wie ein kleiner Junge, frei von allen weltlichen Sorgen, sicher versteckt. Die vorherigen Monate mit dem Tod meines Vaters und meines Bruders und der Panik in Rom waren eine grausame Tortur gewesen. Es gab schwermütige Tage in dieser Höhle, doch ich hatte gleichzeitig das Gefühl, daß die Zeit stillstand und daß im Moment nichts von mir verlangt wurde; weder Trauer noch Rache, noch der Kampf um einen Platz in der Welt. Ich glaube, meine Freunde haben sich mit der Zeit ziemlich gelangweilt und wurden zunehmend rastlos; und für die Sklaven gab es kaum genug zu tun, aber für mich war es eine Zeit der Ruhe und Abgeschiedenheit, die ich schmerzhaft gebraucht hatte.«
    »Und schließlich, so geht die Legende, wurden alle Bedürfnisse befriedigt«, sagte Dionysius.
    »Alethea und Diona«, sagte Crassus, in Erinnerung lächelnd. »Eines Morgens kam der Sklave, der losgeschickt worden war, unsere tägliche Verpflegung abzuholen, zurückgerannt, aufgeregt und kaum in der Lage, ein Wort hervorzubringen. Er behauptete, zwei Göttinnen, eine blond, die andere brünett, seien aus dem Meer gestiegen und kämen am Strand entlang auf uns zu. Ich kroch den Pfad hinunter und betrachtete sie, hinter einem Felsen versteckt. Wenn sie aus dem Meer gestiegen waren, waren sie von Kopf bis Fuß seltsam trocken geblieben, und es kam mir eigenartig vor, daß sie als Göttinnen in gewöhnliche Gewänder gekleidet waren, die längst nicht so schön waren wie sie selbst.
    Ich zeigte mich ihnen, und sie kamen ohne Zögern auf mich zu. Die Blonde trat vor und verkündete, daß sie Alethea, eine Sklavin, sei, und fragte mich, ob ich ihr neuer Herr sei. Da begriff ich, daß Vibius sie geschickt hatte, weil er wußte, daß ich seit meiner Abreise aus Rom mit keiner Frau zusammen gewesen war, und er mir als einem jungen Mann von fünfundzwanzig Jahren der bestmögliche Gastgeber sein wollte. Mit Alethea und Diona gestaltete sich der Rest dieser acht Monate ungleich angenehmer.«
    »Wie hat dein Aufenthalt geendet?« fragte ich.
    »Wir erhielten die Nachricht, daß Cinna getötet worden und Marius damit endlich verwundbar war. Ich scharte alle Anhänger, die ich finden konnte, um mich und zog los, um mich Sulla anzuschließen.«
    »Und die Sklavenmädchen?« fragte Fabius.
    Crassus lächelte. »Einige Jahre später kaufte ich sie Vibius ab. Ihre Schönheit war noch nicht verblaßt, genauso wenig wie meine Jugend. Wir hatten eine höchst amüsante Wiedervereinigung. Ich fand in meinem Haus in Rom einen Platz für sie, und sie waren mir seither zu Diensten. Ich habe Vorkehrungen getroffen, daß für sie gut gesorgt sein wird.«
    »Eine charmante Episode in einem so turbulenten und faszinierenden Leben!« sagte Dionysius und klatschte in die Hände. »Diese Geschichte hat mich stets gefesselt, vor allem in jüngster Zeit. Sie hat etwas so Liebreizendes und Flüchtiges in ihren scheinbar nicht zueinander passenden Bestandteilen - die Vorstellung einer Höhle am Meer, die

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