Die Philosophen der Rundwelt
war.
»Jeder ist dazu imstande?«, rief Ridcully. »Wissenschaft ist unglaublich wichtig, aber jeder kann sie anwenden? Und was soll dies bedeuten?«
Er hielt das Buch hoch, damit alle es sehen konnten. Sein Finger deutete auf eine Illustration: Sie zeigte ein Auge in der Seitenansicht, neben einem Apparat.
»Vielleicht ist das der Gott der Wissenschaft«, spekulierte Rincewind. »Er beobachtet, wer was nimmt.«
»Also … Wissenschaft wird von niemandem im Besonderen erledigt«, sagte Ridcully. »Der größte Teil der Ausrüstung wird gestohlen, und ein großes Auge beobachtet alles?«
Die Zauberer sahen sich schuldbewusst um.
»Hier sind nur wir«, sagte Ponder.
»Dann ist dies keine Wissenschaft«, meinte Ridcully. »Es fehlt ein riesiges Auge. Und außerdem sieht man, dass es keine Wissenschaft ist, nur Technik. Jeder einigermaßen intelligente Bursche kann so etwas bauen. Ist doch ganz klar, wie so etwas funktioniert.«
»Wie funktioniert es?«, fragte Rincewind.
»Ganz einfach«, sagte Ridcully. »Die Schraube dreht sich und dreht sich, und oben kommt das Wasser raus.«
»HEX?« Ponder streckte die Hand aus, und ein großes Buch erschien in ihr. Es war dünn, enthielt viele Bilder und trug den Titel Große Momente der Wissenschaft . Ponder wusste inzwischen: Wenn HEX oder der Bibliothekar den Zauberern etwas erklären wollten, so griffen sie zu Kinderbüchern.
Er blätterte. Große Bilder, große Schrift.
»Ah«, sagte er. »Archimedes hat dies erfunden. Er war ein Philosoph. Er wurde auch deshalb berühmt, weil eines Tages, als er in die Badewanne stieg, das Wasser über den Rand floss. Dadurch kam er auf die Idee …«
»… sich eine größere Wanne zuzulegen?«, fragte der Dekan.
»Philosophen haben immer irgendwelche Ideen, wenn sie baden«, erklärte Ridcully. »Na schön. Wenn wir nichts anderes haben …«
»Meine Herren …«, sagte Ponder. »HEX, bring uns zu Archimedes. Oh, und gib mir ein Handtuch.«
»Hübscher Ort«, sagte der Dekan, als sich die Zauberer auf die Mauer setzten und übers dunkle Meer blickten. »Ich fühle, dass mir die Seeluft gut tut. Möchte noch jemand Wein?«
Ein interessanter Tag lag hinter ihnen, doch Ponder fragte sich, ob er etwas mit Wissenschaft zu tun hatte. Neben ihm bildeten Bücher einen Stapel. HEX war sehr beschäftigt gewesen.
»Es muss Wissenschaft gewesen sein«, sagte Ridcully. »Der König gab deinem Mann eine Aufgabe. Er sollte herausfinden, ob die Krone ganz aus Gold besteht. Darüber dachte er nach. Wasser schwappte über den Rand der Badewanne. Er verließ die Wanne, wir gaben ihm ein Handtuch, und er … fand was heraus?«
»Der scheinbare Gewichtsverlust eines Körpers, der teilweise oder ganz in eine Flüssigkeit getaucht wird, entspricht dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit«, sagte Ponder.
»Ja«, bestätigte Rincewind. »Und er begreift, dass es nicht nur bei Körpern funktioniert, sondern auch bei Kronen. Ein paar Versuche, und zack, Wissenschaft. Bei der Wissenschaft geht es darum, Dinge herauszufinden. Und aufzupassen. Und es sollte jemand mit einem Handtuch da sein.«
»Ich bin nicht … ganz sicher, dass es sich darauf beschränkt«, erwiderte Ponder. »Ich habe darüber gelesen und festgestellt: Selbst die Leute, die sich mit Wissenschaft beschäftigen, sind manchmal nicht ganz sicher, was es damit auf sich hat. Man nehme nur Archimedes. Genügt eine gute Idee? Ist es Wissenschaft, wenn man Probleme löst? Handelt es sich dabei um Wissenschaft oder um das, was vor der Wissenschaft kommt?«
»Dein Buch über die Großen Momente bezeichnet ihn als Wissenschaftlicher«, meinte Ridcully.
»Wissenschaftler«, korrigierte Ponder den Erzkanzler. »Aber ich bin mir da nicht ganz sicher. Ich meine, so etwas geschieht oft. Die Leute neigen dazu, in der eigenen Tätigkeit etwas zu sehen, das die Geschichte heiligt. Angenommen, der Mensch hat das Fliegen gelernt. Dann würde man wahrscheinlich sagen: ›Auch Guddrun der Idiot führte frühe Flugversuche durch. Er sprang vom Uhrenturm in Pseudopolis, nachdem er seine Hose mit Tau getränkt und sich Schwanenfedern ans Hemd geklebt hatte.‹ Aber in Wirklichkeit war er gar kein früher Flieger …«
»… sondern ein toter Idiot?«, fragte Rincewind.
»Genau. Es ist wie mit Zauberern, Erzkanzler. Es genügt nicht, dass sich jemand als Zauberer bezeichnet. Andere Zauberer müssen bestätigen, dass der Betreffende ein Zauberer ist.«
»Man kann also nicht nur einen
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