Die Philosophen der Rundwelt
doch es ist immer noch nicht »wahr«.
Die Modelle der Wissenschaft sind nicht wahr , und eben darum sind sie nützlich. Sie erzählen einfache Geschichten, die unser Geist erfassen kann. Es sind Lügen-für-Kinder, einfach Geschichten für den Unterricht und darum keinen Deut schlechter. Der Fortschritt der Wissenschaft besteht darin, dass immer klügeren Kindern immer überzeugendere Lügen erzählt werden.
Ob unsere Weltsicht nun magisch, religiös, philosophisch oder wissenschaftlich ist, wir versuchen das Universum zu verändern, damit wir uns überzeugen können, dass wir darüber bestimmen. Wenn unsere Weltsicht magisch ist, wissen wir, dass in Wahrheit die Götter bestimmen, doch wir beharren auf der Hoffnung, dass wir ihre Entscheidungen beeinflussen und trotz allem bekommen können, was wir wollen (oder uns selbst beeinflussen, alles zu akzeptieren, was geschieht …). Wenn unsere Weltsicht philosophisch ist, dann machen wir uns selten selbst am Universum zu schaffen, doch wir hoffen zu beeinflussen, wie andere das tun. Und wenn unsere Weltsicht wissenschaftlich ist, beginnen wir mit der Idee, dass es nicht das Hauptziel ist, das Universum zu lenken. Das Hauptziel ist, das Universum zu verstehen .
Die Suche nach Verständnis bringt uns dazu, Geschichten zu entwerfen, die unsere beschränkten Anteile an der Zukunft kartographieren. Wie sich zeigt, funktioniert dieser Ansatz am besten, wenn die Karte die Zukunft nicht wie ein Hellseher vorhersagt, wenn sie nicht weissagt, dass bestimmte Dinge an bestimmten Tagen oder in bestimmten Jahren geschehen werden. Vielmehr sollte sie vorhersagen, dass, wenn wir bestimmte Dinge tun und ein spezielles Experiment unter speziellen Bedingungen durchführen, bestimmte Dinge geschehen müssten. Dann können wir das Experiment durchführen und den Gedankengang überprüfen. Paradoxerweise erfahren wir mehr, wenn das Experiment misslingt.
Dieser Prozess, das herkömmliche Wissen in Frage zu stellen und es jedes Mal zu modifizieren, wenn es nicht zu funktionieren scheint, kann nicht endlos weitergehen. Oder doch? Und falls er aufhört, wann hört er auf?
Wissenschaftler sind an ständige Veränderung gewöhnt, doch die meisten Veränderungen sind klein: Sie verfeinern unser Verständnis, ohne wirklich etwas in Frage zu stellen. Wir nehmen einen Ziegel aus der Wand des Gebäudes der Wissenschaft, polieren ihn ein wenig und stecken ihn zurück. Doch hin und wieder hat es den Anschein, als wäre das Gebäude tatsächlich fertig. Lohnende neue Fragen scheint es nicht zu geben, und alle Versuche, der akzeptierten Theorie den Garaus zu machen, sind gescheitert. Dann ist dieses Gebiet der Wissenschaft etabliert (wenn auch immer noch nicht »wahr«), und niemand verschwendet Zeit an den Versuch, es noch zu ändern. Es gibt immer aufregendere Gebiete, auf denen man arbeiten kann.
Das ist so ziemlich dasselbe, als steckte man einen großen Stöpsel in einen Vulkan. Irgendwann, wenn der Druck gestiegen ist, wird er nachgeben. Und wenn er das tut, gibt es eine sehr große Explosion. Asche regnet hunderte von Kilometern entfernt herab, der halbe Berg rutscht ins Meer, alles ist anders …
Doch das geschieht nur nach einer langen Periode scheinbarer Stabilität und nur nach schweren Kämpfen, um die herkömmlichen Denkweisen zu bewahren. Was wir dann erblicken, ist eine Verschiebung der Paradigmen, eine große Veränderung von Denkmustern; zu den Beispielen gehören Darwins Evolutionstheorie und Einsteins Relativitätstheorie.
Veränderungen im wissenschaftlichen Verständnis erzwingen Veränderungen in unserer Kultur. Die Wissenschaft hat Einfluss darauf, was wir von der Welt denken, und sie führt zu neuen Techniken, die unsere Lebensweise verändern (und wenn sie – absichtlich oder nicht – missverstanden wird, führt sie auch zu etlichen hässlichen Gesellschaftstheorien).
Heute erwarten wir große Veränderungen zu Lebzeiten. Wenn Kinder gebeten werden, die Zukunft vorherzusagen, kommen sie wahrscheinlich auf das eine oder andere Science-Fiction-Szenarium – fliegende Autos, Ferien auf dem Mars, bessere und kleinere Technik. Sie irren sich wahrscheinlich, doch das spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt, dass Kinder von heute nicht sagen: »Veränderung? Na, es wird so ziemlich alles das Gleiche sein. Ich werde einfach das tun, was Mutti und Vati heute tun und was deren Eltern vor ihnen getan haben.« Während vor fünfzig Jahren, vor einem Großvater , diese Haltung
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