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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zweitrangig gegenüber verbaler Argumentation und Logik.
    Die wissenschaftliche Weltsicht besagt, dass das, was die Menschen möchten, sehr wenig mit dem zu tun hat, was tatsächlich geschieht, und dass es unnötig ist, überhaupt Götter anzurufen. Denken ist nützlich, doch empirische Beobachtungen sind die wesentliche Probe für jede Hypothese. Die Rolle der Wissenschaft ist es, uns herauszufinden zu helfen, wie das Universum funktioniert. Warum es funktioniert oder welche Art Wesen es schließlich lenkt, wenn überhaupt, ist keine Frage, an der die Wissenschaft interessiert ist. Auf diese Frage kann niemand eine überprüfbare Antwort geben.
    So sonderbar es ist – diese distanzierte Herangehensweise an das Universum hat uns viel mehr Macht darüber gegeben, als Magie, Religion und Philosophie es vermocht haben. Auf der Rundwelt funktioniert Magie nicht, also bietet sie überhaupt keine Macht. Manche Leute glauben, dass Gebete ihren Gott beeinflussen können und dass Menschen auf diese Weise einen gewissen Einfluss auf die Welt ausüben können, in der sie leben, wie ein Höfling am Ohr des Königs. Andere Leute glauben nichts dergleichen und halten die Rolle des Gebets für größten Teils psychologisch: Es kann eine Wirkung auf Menschen haben, aber nicht auf das Universum selbst. Und die Philosophie neigt eher zum Folgen als zum Führen.
    Wissenschaft ist eine Art Narrativium. Im Grunde gehört zu allen vier Herangehensweisen an das Universum – Magie, Religion, Philosophie und Wissenschaft – der Entwurf von Geschichten über die Welt. Und diese verschiedenen Arten von Geschichte haben merkwürdigerweise oft viele Parallelen. Es gibt eine deutliche Ähnlichkeit zwischen den Schöpfungsmythen vieler Religionen und der von den Kosmologen vertretenen »Urknall«-Theorie über den Ursprung des Universums. Und die monotheistische Idee, wonach es nur einen Gott gibt, der alles erschaffen hat und alles lenkt, kommt der Idee der modernen Physiker verdächtig nahe, es müsste eine einzige Theorie von allem geben, ein einziges grundlegendes physikalisches Prinzip, welches Relativität und Quantenmechanik zu einer befriedigenden und eleganten mathematischen Struktur vereinigt.
    Der Akt des Geschichtenerzählens über das Universum kann durchaus für die frühe Entwicklung der Menschheit und für das anfängliche Wachstum der Wissenschaft wichtiger gewesen sein als der jeweilige Inhalt der Geschichten selbst. Akkurater Inhalt war ein späteres Kriterium. Wenn wir damit beginnen, Geschichten über das Universum zu erzählen, erwächst die Möglichkeit, diese Geschichten mit dem Universum selbst zu vergleichen und daran zu feilen, wie gut die Geschichten zu dem passen, was wir tatsächlich sehen. Und das kommt der wissenschaftlichen Methode schon sehr nahe.
    Die Menschheit scheint mit einer eher scheibenwelt-typischen Sichtweise begonnen zu haben, wo die Welt von Einhörnern und Werwölfen und Göttern und Ungeheuern bevölkert war und die Geschichten weniger dazu dienten, die Funktionsweise der Welt zu erklären, als vielmehr einen entscheidenden Teil des Menschenbaukastens zu bilden. Einhörner, Werwölfe, Elfen, Feen, Engel und andere übernatürliche Wesen waren nicht wirklich. Doch das spielte eigentlich kaum eine Rolle: Es bereitet keine Schwierigkeiten, mithilfe unwirklicher Dinge den menschlichen Geist zu programmieren.* [* Ja, es wird behauptet, dass Werwölfe und Vampire ihre Wurzeln in seltenen medizinischen Zuständen bei Menschen haben. Und nun aber Engel und Einhörner …] Denken Sie an all die sprechenden Tiere.
    Die von der Wissenschaft verwendeten Modelle sind in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Auch sie entsprechen nicht exakt der Wirklichkeit. Man denke an das alte Modell vom Atom als eine Art Sonnensystem en miniature, in dem winzige harte Teilchen namens Elektronen um den zentralen Kern wirbeln, der aus anderen winzigen harten Teilchen besteht: aus Protonen und Neutronen. Das Atom ist nicht »wirklich« so. Doch viele Wissenschaftler benutzen dieses Bild noch heute als Grundlage für ihre Forschungen. Ob das Sinn macht, hängt davon ab, welche Probleme sie untersuchen, und wenn es keinen Sinn macht, verwenden sie etwas Raffinierteres, wie die Beschreibung eines Atoms als Wahrscheinlichkeitswolke von »Orbitalen«, die nicht für Elektronen stehen, sondern für Orte, an denen sich Elektronen befinden könnten. Dieses Modell ist feiner und passt besser zur Wirklichkeit als das Mini-Sonnensystem,

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