Die Philosophen der Rundwelt
darstellen, wurden in der Grotte Chauvet in Frankreich gefunden und 1995 auf ein Alter von 32 000 Jahren datiert. Die älteste Kunst, die unzweifelhaft Kunst ist, ist etwa 38 000 Jahre alt: Perlen und Anhänger, die in Russland gefunden wurden. Und ein paar Perlen aus Straußeneierschalen in Kenia, die vielleicht 40 000 Jahre alt sind.
Weiter zurück wird es unklarer. Ocker ist ein übliches Pigment für Felszeichnungen, und in Australien gefundene Ocker-»Farbstifte« sind 60 000 Jahre alt. Es gibt einen Stein von den Golan-Höhen, dessen natürliche Furchen tiefer geritzt worden sind, vermutlich von einer Menschenhand mit einem anderen Stein. Er hat eine vage Ähnlichkeit mit einer Frau und ist etwa 250 000 Jahre alt. Doch vielleicht ist es nur ein Stein, auf dem ein Kind müßig herumgekratzt hat, und die Form ist zufällig.
Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer Höhle, während der Künstler Bisons an die Wand malt. Er (oder sie?) erschafft ein Bild für Ihr Gehirn, das sich Schritt für Schritt stärker von dem unterscheidet, was Ihr Gehirn erwartet: »Und jetzt wollen wir darunter ein Wollnashorn-Weibchen malen …« Im Fernsehen gab es mehrere »Künstler«, die genau diesen Trick vorgeführt haben. Rolf Harris konnte überraschend gut Tierszenen vor den Augen der Zuschauer zeichnen. Und es waren auch emblematische Tiere: schlauer Fuchs und weise Eule.
Da haben wir alles beieinander. Unsere Wahrnehmungen sind mit unseren Erwartungen verknüpft, und wir trennen Sinneseindrücke weder voneinander noch von Erinnerungen. Sie werden alle in der Abgeschiedenheit unseres Geistes gegeneinander ausgespielt. Wir programmieren unsere Gehirne entschieden nicht mit direkten Verkörperungen der wirklichen Welt. Von Anfang an instruieren wir unsere Gehirne, was sie mit dem anfangen sollen, was wir sehen, hören, riechen und fühlen. Wir geben allem eine zusätzliche Drehung, und wir antizipieren, vergleichen und kontrastieren, bilden Zeiträume aus aufeinander folgenden Augenblicken, Bildbereiche aus auf kleine Stellen fokussierter Beobachtung. Wir haben das schon immer getan, Schicht um Schicht, haben feinere Nuancen aus Gesprächen aufgenommen, aus flirtenden Blicken, bis hin zu Bewertungen der wirklichen Welt à la »Wird sie später so aussehen wie ihre Mutter jetzt?«.
Das ist es, was unsere Hirne tun und die der Randleute nicht.
Wir vermuten, dass auch Neandertaler davon nicht viel getan haben, denn es gibt eine alternative Möglichkeit, und sie passt zu ihrer kulturellen Trägheit: in einer Welt zu leben, die man so eingerichtet hat, dass nichts Unerwartetes geschehen kann. Alle Ereignisse folgen dem, was man von früheren Ereignissen her erwartet, sodass Gewohnheit Sicherheit erzeugt. Solch eine Welt ist sehr stabil, und das heißt, dass sie sich kaum irgendwohin bewegt . Warum versuchen, den Garten Eden zu verlassen? Die Gorillas tun das nicht.
Das Leben in der Stammesgesellschaft könnte für den Homo sapiens ähnlich sein, außer dass immer wieder die Wirklichkeit hereinbricht, zum Beispiel jene Barbaren oben auf dem Berg. Doch die Neandertaler hatten vielleicht nicht unter Barbaren zu leiden. Jedenfalls scheint nichts große Veränderungen in ihrem Leben ausgelöst zu haben, nicht einmal im Lauf von zehntausenden von Jahren. Kunst aber löst Veränderungen aus. Sie lässt uns die Welt auf neue Art betrachten. Den Elfen gefällt das, es bietet neue Möglichkeiten, Menschen zu ängstigen. Doch Rincewind hat weiter geschaut, als es die Elfen vermögen, und hat herausgefunden, wohin die Kunst uns führt. Wohin? Wir werden es bald sehen.
FÜNFUNDZWANZIG
Vorbild des Gemüses
Die Wellen des dunklen Meers rollten an die ferne Küste. Hübsches Land, dachte Rincewind. Ein bisschen wie Ephebe. Weintrauben, Oliven, Honig, Fisch und Sonnenschein.
Er wandte sich wieder den Proto-Schauspielern zu. Es fiel ihnen schwer, das Konzept zu verstehen.
»Wie die Priester in den Tempeln?«, fragte ein Mann. »Meinst du das?«
»Ja, aber ihr könnt die Idee noch … ausweiten«, sagte Rincewind. »Indem ihr vorgebt, die Götter – oder sonst wer – zu sein .«
»Bringt uns das nicht in Schwierigkeiten?«
»Nein, vorausgesetzt ihr zeigt genug Respekt«, erwiderte Rincewind. »Und die Leute würden die Götter sehen , in gewisser Weise. Sehen ist glauben, nicht wahr? Außerdem: Kinder tun die ganze Zeit über so, als wären sie jemand anders.«
»Aber es ist kindliches Spielen«, sagte der Mann.
»Vielleicht bezahlen
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