Die Philosophen der Rundwelt
könne »holistisch« feststellen, was jemandem fehlt, indem man sich seine Iris oder seine Fußballen anschaut – und nur die –, und die sich mit ihrem Glauben auf die Schriften von Renaissance-Exzentrikern wie Paracelsus und Dee berufen. Die aber wären entsetzt, wenn sie wüssten, dass sie als Autoritäten zitiert werden, zumal von derart engstirnigen Nachfolgern.
Unter denen, die sich auf Paracelsus als Autorität berufen, ragen die Homöopathen hervor. Eine grundlegende Glaubensvorstellung der Homöopathie besagt, dass Medizin stärker wirkt, wenn sie verdünnt wird. Dieser Standpunkt lässt sie ihre Medizin als völlig harmlos anpreisen (es ist nur Wasser), aber auch als außerordentlich wirksam (was Wasser nicht ist). Sie bemerken dabei keinen Widerspruch. Und auf homöopathischen Kopfschmerztabletten steht »eine bei leichten, drei bei starken Schmerzen«. Müsste es nicht anders herum sein?
Solche Leute halten es nicht für notwendig, über das, was sie tun, nachzudenken, weil sie ihren Glauben auf Autorität gründen. Wenn von dieser Autorität eine Frage nicht aufgeworfen wurde, dann möchten sie diese Frage nicht stellen. Um ihre Theorien zu stützen, zitieren Homöopathen also Paracelsus: »Was krank macht, macht auch gesund.« Doch Paracelsus hat seine ganze Laufbahn darauf aufgebaut, keine Autorität zu respektieren. Außerdem hat er nie gesagt, eine Krankheit sei immer ihre eigene Kur.
Vergleichen Sie dieses moderne Spektrum der Dummheit mit der robusten, kritischen Haltung der meisten Renaissance-Gelehrten gegenüber der Idee, arkane Praktiken könnten das Wesen der Welt offen legen. Leute wie Dee, ja auch Isaac Newton, nahmen diese kritische Position sehr ernst. Weitgehend gilt das auch für Paracelsus: Beispielsweise verwarf er die Idee, Sterne und Planeten würden bestimmte Teile des menschlichen Körpers kontrollieren. Die Ansicht der Renaissance war es, dass Gottes Schöpfung mysteriöse Elemente hat, doch diese Elemente sind verborgen* [* Verborgenes Wissen war zu jener Zeit im Wesentlichen praktisches Wissen, verkörpert in Zunftgeheimnissen und vor allem bei den Freimaurern. Es war in Rituale gekleidet, weil es größtenteils mündlich überliefert und nicht niedergeschrieben wurde.] statt arkan, wohnen der Natur des Universums inne.
Diese Sichtweise kommt dem Staunen von Antony van Leeuwenhoek nahe, das er angesichts der Animalculi in schmutzigem Wasser oder Samenflüssigkeit empfand: der erstaunlichen Entdeckung, dass sich die Wunder der Schöpfung hinab in den mikroskopischen Bereich erstrecken. Die Natur, Gottes Schöpfung, war viel raffinierter. Die lieferte dem Staunen verborgene Wunder ebenso wie die unverhüllt künstlerische Sicht. Newton wurde von der impliziten Mathematik der Planeten auf genau diese Art gefesselt: An Gottes Erfindung war mehr, als das bloße Auge sah, und das passte zu seinen hermetischen Glaubensvorstellungen (einer Philosophie, die sich von den Ideen des Hermes Trismegistos ableitete). Die Krise des Atomismus zu jener Zeit war die Krise der Präformation: Wenn Eva alle Töchter in sich hatte und die wiederum all ihre Töchter in sich hatten wie bei einer russischen Matrjoschka-Puppe, dann musste die Materie unendlich teilbar sein. Oder wenn sie es nicht war, könnte man den Tag des Jüngsten Gerichts ermitteln, indem man feststellte, wie viele Generationen es noch dauern würde, bis man zur letzten, leeren Tochter kam.
Wenn wir diesen Aspekt des Renaissance-Denkens, sein »einerseits – anderseits« betrachten, dann wollen wir seine Bescheidenheit solchen modernen Religionen wie der Homöopathie oder der Scientology gegenüberstellen, Glaubenssystemen, die arrogant behaupten, eine »vollständige« Erklärung des Universums in menschlichen Begriffen zu liefern.
Manche Wissenschaftler sind ebenso arrogant, doch gute Wissenschaftler wissen immer, dass die Wissenschaft ihre Grenzen hat, und sind bereit zu erklären, wo diese Grenzen liegen. »Ich weiß nicht« ist eins der großen wissenschaftlichen Prinzipien, zugegebenermaßen zu selten verwendet. Unwissen einzugestehen räumt mit so viel zwecklosem Unsinn auf. So können wir Bühnenmagiern folgen, wenn sie ihre schönen und sehr überzeugenden Illusionen vorführen – das heißt: überzeugend, solange wir unsere Hirne im Leerlauf lassen. Wir wissen, dass es Tricks sein müssen, und Unwissen einzugestehen bewahrt uns vor dem Fallstrick, zu glauben, die Illusion müsste Wirklichkeit sein, nur weil
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