Die Philosophen der Rundwelt
wir nicht wissen, wie der Trick funktioniert. Wie sollten wir auch? Wir sind keine Mitglieder das Magischen Zirkels. Unwissen einzugestehen bewahrt uns auch vor mystischem Aberglauben, wenn wir auf Naturereignisse stoßen, die noch nicht den Blick eines kompetenten Wissenschaftlers (und seiner Mittel zur Verfügung stellenden Institution) auf sich gezogen haben und die immer noch wie … Zauberei wirken. Wir sagen »der Zauber der Natur« – eher das Wunder der Natur, das Mirakel des Lebens.
Diesen Standpunkt teilen wir fast alle, doch es ist wichtig, die historische Tradition zu verstehen, auf der er gründet. Es geht nicht schlechthin darum, die Komplexität von Gottes Werken zu bewundern. Es gehören dazu auch die Einstellungen von Newton, van Leeuwenhoek und ihren Vorgängern, ja, bis zurück zu Dee. Und zweifellos bis zu einem oder mehreren Griechen. Es gehört dazu der Renaissance-Glaube, dass wir bei der Untersuchung des Wunders, des Mirakels noch mehr Wunder und Mirakel finden werden: sagen wir, die Gravitation oder die Spermatozoen.
Was also meinen wir und was meinten sie mit »Magie«? Dee sprach von den arkanen Künsten, und Newton hing vielen Erklärungen an, die »magisch« waren, insbesondere sein Glaube an Fernwirkung, »Gravitation«, der sich aus den mystischen Grundlagen seiner hermetischen Philosophie herleitete, wo Anziehung und Abstoßung Grundprinzipien waren.
»Magie« bedeutet also drei sichtlich verschiedene Dinge. Die erste Bedeutung ist: »etwas zum Staunen«, und das reicht von Kartenkunststücken über Amöben bis hin zu den Saturnringen. Die zweite Bedeutung ist, eine verbale Anweisung, einen Zauberspruch , mit okkulten oder arkanen Mitteln in eine materielle Handlung umzusetzen … Wenn ein Mensch in einen Frosch verwandelt wird oder umgekehrt oder wenn ein Dschinn seinem Gebieter einen Palast baut. Die dritte Bedeutung ist diejenige, die wir verwenden: die technische Magie, wenn man einen Schalter betätigt und Licht bekommt, ohne auch nur »fiat lux« sagen zu müssen.
Oma Wetterwachs’ aufsässiger Besen ist Magie der zweiten Art, doch ihre »Kopfologie« ist größtenteils ein sehr, sehr gutes Erfassen von Psychologie (Magie vom Typ 3, sorgsam als Typ 2 getarnt). Da fällt einem Arthur C. Clarkes Satz ein, den wir in Die Gelehrten der Scheibenwelt zitiert und erörtert haben: »Jede hinreichend entwickelte Technik unterscheidet sich nicht mehr von Magie.« Die Scheibenwelt verkörpert Magie in Zaubersprüchen und wird ja als unwahrscheinliche Schöpfung dadurch aufrechterhalten, dass sie von einem starken magischen Feld (Typ 2) umgeben ist. Erwachsene in irdischen Kulturen wie auf der Rundwelt geben vor, den intellektuellen Glauben an Magie von der Scheibenwelt-Art verloren zu haben, während ihre Kultur immer mehr von ihrer Technik in Magie (Typ 3) verwandelt. Und die Entwicklung von HEX im Laufe der Bücher stellt Sir Arthur auf den Kopf: Die hinreichend entwickelte Magie der Scheibenwelt unterscheidet sich jetzt praktisch nicht mehr von Technik.
Als (einigermaßen) vernünftige Erwachsene verstehen wir, wo die erste Art Magie herkommt. Wir sehen etwas Wunderbares und fühlen uns schrecklich glücklich, dass das Weltall ein Ort ist, wo Ammoniten oder, sagen wir, Eisvögel vorkommen können. Doch woher haben wir unseren Glauben an die zweite, irrationale Art von Magie? Wie kommt es, dass in allen Kulturen die Kinder ihr Geistesleben mit dem Glauben an Magie beginnen statt an die wirkliche Kausalität, die sie umgibt?
Eine plausible Erklärung lautet, dass Menschen zuerst von Märchen programmiert werden. Alle menschlichen Kulturen erzählen ihren Kindern Geschichten; ein Teil der Entwicklung unseres spezifischen Menschseins ist die Wechselwirkung, die wir mit dem Beginn der Sprache erhalten.
Alle Kulturen verwenden Tierbilder für diese Erziehung durch Märchen; so haben wir im Westen schlaue Füchse, weise Eulen und ängstliche Küken. Sie scheinen einer Traumzeit der Menschen zu entstammen, als alle Tiere als Arten von Menschenwesen in anderer Haut betrachtet wurden und selbstverständlich sprechen konnten. Was die feineren Eigenschaftswörter bedeuten, lernen wir aus den Taten – und Worten – der Wesen in den Geschichten. Inuit-Kinder haben kein Bild vom »schlauen« Fuchs, ihr Fuchs ist »kühn« und »schnell«, während der Fuchs im norwegischen Bild geheimnistuerisch und weise ist und respektvollen Kindern viele gute Ratschläge zu geben vermag. Die Kausalität
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