Die Philosophen der Rundwelt
Überaugenbrauenbögen etwas los war, zur Stimmung unserer Zeit. In Slowenien ist ein Knochen mit Löchern darin gefunden worden, den manche Archäologen für eine 43 000 Jahre alte Knochenflöte der Neandertaler halten. Doch andere bestreiten, dass es ein Musikinstrument ist. Francesco d’Errico und Philip Chase haben den Knochen sorgfältig untersucht und sind sich sicher, dass die Löcher von Tieren hineingenagt und nicht von musikalischen Neandertalern gebohrt wurden. Wir wissen nicht, ob man den Knochen einem Musiker gegeben hat …
Wie immer es um die Flöte stehen mag, es ist klar, dass sich die Neandertaler-Kultur über lange Zeiträume hinweg nicht wesentlich veränderte. Wohl aber tat das die Kultur, die zu uns führte. Sie hat sich dramatisch verändert und bisher nicht damit aufgehört.
Was hat den großen Unterschied zwischen uns und den Neandertalern ausgemacht?
Gemäß der Out-of-Africa-Theorie stammen unser aller Vorfahren von einer ursprünglichen Population ab, die sich in Afrika entwickelte. Sie wanderten durch den Mittleren Osten; diejenigen, die sich auf den Weg nach Australien machten, sind wahrscheinlich in Südafrika aufgebrochen, könnten aber auch über den Fernen Osten und Malaysia gegangen sein. Mit Booten kann man beides tun.
Im Grunde könnte uns die Geschichte von den Immun-Genen, die wir in Kapitel 10 erörtert haben, mehr verraten, doch bisher hat niemand entsprechende Untersuchungen durchgeführt: Entweder haben die australischen Aborigines dasselbe Genspektrum wie wir übrigen Flaschenhals-Menschen oder sie haben stattdessen ihre eigene kleine und charakteristische Auswahl. Wie dem auch sei, wir werden daraus etwas Interessantes erfahren, doch bis jemand die genetischen Daten sammelt, haben wir keine Ahnung, was das Interessante sein wird. Ein Großteil der Wissenschaft ist eine solche Situation, wo man nur gewinnen kann. Aber erklären Sie das mal den Erbsenzählern, die die Mittel für Forschung verwalten.
Wenn wir in diesem Zusammenhang von »Wanderungen« sprechen, sollten Sie nicht an den Auszug der Hebräer aus Ägypten denken. Es war keine Angelegenheit einer Gruppe, die vierzig Jahre oder wie lange auch immer dauerte und die Unterwerfung anderer Hominiden unterwegs einschloss. Es kam eher der allmählichen Bildung kleiner Siedlungen gleich, die sich langsam immer weiter von der ursprünglichen Heimat entfernten. Die Menschen selbst wussten nicht einmal, dass sie wanderten. Es ging eher nach dem Muster: »He, Alan, warum versuchen du und Marilyn es nicht ein paar Täler weiter mit Jagen und Sammeln, bei dem hübschen Fluss Euphrat dort?« Und hundert Jahre später gab es dann auch ein paar Ansiedlungen auf der anderen Seite des Flusses. Das ist keine reine Spekulation: Archäologen haben einige dieser Siedlungen gefunden.
Wenn Menschen alle zehn Jahre anderthalb Kilometer weiter eine neue Siedlung gründeten, hätte es nur 50 000 Jahre oder 1000 Großväter gedauert, bis sie sich von Afrika die ganze Strecke bis in den gefrorenen Norden ausgebreitet hätten. Und sie breiteten sich gewiss schneller aus. Es wird kaum jemand wirklich irgendwohin gegangen sein, die Kinder richteten sich einfach ein paar hundert Meter weiter ein, wo es etwas mehr Platz gab, um ihre eigenen Kinder großzuziehen.
Während wir uns ausbreiteten, wurden wir vielfältiger. Es ist beeindruckend, wie vielfältig wir körperlich und kulturell sind. Doch aus der Sicht des Elfen sind wir einander vielleicht sehr ähnlich, vom Chinesen über den Inuit zu Majas und Walisern. Unsere Ähnlichkeiten sind viel größer als unsere Unterschiede.* [* Deshalb waren wir gezwungen, Unterschiede in der Religion zu erfinden, die uns einen Vorwand geben, einander umzubringen, weil Die Anderen sich von uns Wahren Menschen so drastisch unterscheiden – die wissen nicht einmal, dass man, wenn man Salz verschüttet und danach nicht dreimal um den Tisch hüpft, sich einen Dämon ins Haus holt. Also ist es recht, die Falschen Menschen, Die Anderen, vom Antlitz der Erde hinwegzufegen.] Wir sind auch in Afrika unterschiedlicher geworden, von den hoch gewachsenen Massai und Zulu bis zu den !Kung-Pygmäen* [* Das »!« steht für einen speziellen Klicklaut.] und den untersetzten Yoruba. Diese Völker sind wirklich und von alters her andersartig: Sie unterscheiden sich von uns und voneinander fast so sehr wie Wölfe von Schakalen. Die Menschen, die durch den Flaschenhals gingen, haben sich erst vor relativ kurzer Zeit
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