Die Philosophen der Rundwelt
Als nun Hemor, Sichems Vater, um die Zustimmung zur Heirat bat und dafür, seinen Stamm mit den Israeliten vermischen zu dürfen, verfielen die Söhne Jakobs auf einen schlauen Plan. Sie sagten den Hevitern, sie würden das Angebot annehmen, doch erst, nachdem sich die Heviter beschnitten hätten, sodass sie den Israeliten glichen. Die Heviter waren bereit, darauf einzugehen, denn sie sagten sich: »Diese Leute sind friedsam bei uns und wollen im Lande wohnen und werben; so ist nun das Land weit genug für sie. Wir wollen uns ihre Töchter zu Weibern nehmen und ihnen unsere Töchter geben.« So beschlossen sie es, gehorchten Hemor »und beschnitten alles, was männlich war, das zu seiner Stadt aus und ein ging«. Und ein paar Tage lang hatten sie Schmerzen. Da holten Dinas Brüder Simeon und Levi sie aus Sichems Haus, metzelten alle hevitischen Männer nieder und nahmen sich ihre Haustiere, ihre Habe, versklavten ihre Kinder und Weiber. Diese Geschichte von Täuschung und Verrat wird in neuerer Zeit nicht mehr an die große Glocke gehängt; die Leute finden sie nicht mehr so komisch wie seinerzeit.
Jedenfalls reagieren die Heviter in der Geschichte auf Sichems Verbrechen in der Art der Stammesgesellschaft, doch die Israeliten verhalten sich wie Barbaren. Nachdem sie zunächst einen Fehler gemacht haben, wollen die Heviter ihn in Ordnung bringen und friedlich koexistieren; sie sind bereit, Mitgift zu zahlen und andere Zugeständnisse zu machen, um Sichems Tat wieder gutzumachen. Doch für die Israeliten zählt nichts als eine verdrehte Art von »Ehre«, die Grausamkeit, Mord und Diebstahl rechtfertigt, um Dinas Ruf zu schützen. Oder wohl eher ihre eigene Vorstellung von Männlichkeit.
Eine der beliebtesten Scheibenwelt-Gestalten ist Cohen der Barbar, eine Satire auf Helden der Sword-and-Sorcery-Fantasy wie Conan der Barbar, nichts als Muskeln und Halsketten aus Trollzähnen und testosterongetriebenes Heldentum. Zum ersten Mal taucht er im zweiten Scheibenwelt-Roman Das Licht der Phantasie auf:
»He, einen Augenblick«, wandte Rincewind ein. »Cohen ist ein großer, bulliger, stiernackiger Bursche, der vor Kraft kaum laufen kann. Ich meine: Er ist der berühmteste Krieger der ganzen Scheibenwelt, eine lebende Legende. Ich erinnere mich deutlich daran, dass mir mein Großvater von ihm erzählte … mein … mein Großvater …«
Er brach ab, als er den durchdringenden Blick des Greises bemerkte.
»Oh.« Er schluckte. »Oh, ja, natürlich. Ich verstehe.«
»Fo ift daf nun einmal«, sagte Cohen und seufzte. »Auch für Helden bleibt die Zeit nicht ftehen. Legenden find da weitauf widerftandffähiger.«
Cohen, inzwischen 87 Jahre alt, ist die Sorte Barbar, deren Horde in die Stadt reitet, die Häuser in Brand steckt und lüstern nach Frauen schaut. Aber er ist kein Weichling: Mit zunehmendem Alter wird er hart wie eine Eiche. In Echt zauberhaft erklärt er Rincewind, warum in dem als Spitzhornberge bekannten Gebiet die Barbarei keine Zukunft mehr hat:
» Überall Zäune und Bauerhöfe, Zäune und Bauerhöfe. Wenn man heutzutage einen Drachen erschlägt, beschweren sich die Leute. Weißt du, was passiert ist? Weißt du’s?«
»Nein. Was ist passiert?«
»Leute kamen zu mir und meinten, Trolle nähmen Anstoß an meinen Zähnen. Was soll man davon halten?«
Der jüdischen Tradition zufolge sind Cohens die wahren Kohanim, die Abkömmlinge Aarons in gerader Linie. Die moderne Forschung hat für die Genetik der Cohens ein paar interessante Entdeckungen über die sehr stolze (barbarische) Frage der Cohen’schen Abstammung zu Tage gefördert. Professor Vivian Moses (ja, wirklich …) und eine Gruppe von Wissenschaftlern in Israel haben beschlossen zu überprüfen, ob die Tradition eine faktische Grundlage besitzt. Ebenso, wie die Mitochondrien-DNS-Sequenz die weibliche Vererbung zeigt, kann das nur bei Männern vorkommende Y-Chromosom benutzt werden, um die männliche Vererbung zu verfolgen.
Es hat eine interessante Teilung des jüdischen Volkes gegeben, und daraus lässt sich eine wissenschaftliche Probe für die Geschichte von den Kohanim ableiten. Während der Diaspora blieben einige Juden in Nordafrika, doch eine große Bevölkerungsgruppe ging nach Spanien. Sie sind als Sepharden bekannt, und die Rothschilds, Montefiores und andere Bankiersfamilien sind allesamt sephardischer Herkunft. Eine andere, diffusere Gruppe ging nach Mitteleuropa, und sie sind als Aschkenasen bekannt. Moses und seine Kollegen
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