Die Philosophen der Rundwelt
dann kommen für sie nur andere Cohens in Frage. Also ist die Beständigkeit des Aaronschen Y-Chromosoms vielleicht eher sexuellem Snobismus als erstaunlicher Treue zu danken, und das ist eine viel wahrscheinlichere Geschichte.
DREIZEHN
Stasis quo
Wind schüttelte die Weiden. Und mitten auf der Lichtung sprach der Baum, mit sehr leiser Stimme. Die Ugs hatten gesehen, wie derselbe Baum dreimal vom Blitz getroffen wurde. Er war der höchste Punkt weit und breit, dank der Muschelhügel.
Das beeindruckte selbst Leute, die nur sehr widerstrebend neue Gedanken dachten. Sie glaubten, dass der Baum eine gewisse Bedeutung habe. Er war ein wichtiges Ding. Der Ort, an dem er stand, war ein wichtiger Ort; dort berührte der Himmel den Boden.
Die Sache gab nicht viel her. Es handelte sich um eine Story ohne Plot, und von einem Glauben in dem Sinne konnte kaum die Rede sein. Aber HEX musste sich mit dem Wenigen begnügen.
Die Zauberer dachten über die Zukunft nach. Oder über die Zukünfte.
» Nichts verändert sich?«, fragte der Dekan.
»Nein«, sagte Ponder zum vierten Mal. »Und ja, dies ist die gleiche Zeit wie jene, in der die Stadt existierte. Aber die Dinge sind anders.«
»Die Stadt war fast modern!«
»Ja, es gab aufgespießte Köpfe in ihr«, meinte Rincewind.
»Nun, sie war ein wenig rückständig, zugegeben«, sagte Ridcully. »Und das Bier schmeckte nicht. Aber sie hatte Potenzial.«
»Ich verstehe das nicht!«, entfuhr es dem Dekan. »Wir haben die Elfen besiegt und vertrieben!«
»Und jetzt gibt es zahllose Jahrtausende hiervon«, erwiderte Ponder. »Das sagt jedenfalls HEX. Bis der große Felsen vom Himmel fällt, haben diese Leute nicht einmal gelernt, Feuer zu machen. Rincewind hat Recht. Sie sind nicht in dem Sinne dumm, aber sie … entwickeln sich nicht weiter. Erinnert ihr euch an die Krabbenzivilisation?«
»Die Krabben führten Krieg und nahmen Gefangene und hatten Sklaven!«, wandte der Dozent für neue Runen ein.
»Ja, Fortschritt«, sagte Ponder.
»Aufgespießte Köpfe«, warf Rincewind ein.
»Hör endlich auf damit!«, entgegnete Ponder scharf. »Es waren nur zwei.«
»Vielleicht haben wir etwas anderes getan, das die Geschichte verändert hat«, überlegte der Professor für unbestimmte Studien. »Vielleicht sind wir auf das falsche Insekt getreten oder so … War nur ein Gedanke«, fügte er hinzu, als ihn die anderen anstarrten.
»Wir haben die Elfen verscheucht, das war alles«, sagte Ridcully. »Elfen verursachen genau das, was wir hier gesehen haben. Aberglauben und …«
»Die Ugs sind nicht abergläubisch«, meinte Rincewind.
»Als ich das Streichholz entzündete … Das gefiel ihnen ganz und gar nicht.«
»Sie haben auch nicht damit begonnen, dich anzubeten. Ihnen gefallen nur keine Dinge, die zu schnell geschehen. Ich habe es euch ja gesagt: Sie malen keine Bilder, beschmieren sich nicht mit Farbe, konstruieren nichts … Ich habe Ug nach dem Mond und den Sternen gefragt, und soweit ich das feststellen kann, denken sie nicht darüber nach. Für sie sind es nur Dinge am Himmel.«
»Oh, ich bitte dich«, sagte Ridcully. » Jeder erzählt Geschichten über den Mond.«
»Die Ugs nicht«, erwiderte Rincewind. »Sie haben überhaupt keine Geschichten.«
Stille herrschte, als die Zauberer darüber nachdachten.
»Meine Güte«, sagte Ponder.
»Kein Narrativium«, murmelte der Dekan. »Erinnert ihr euch? Es fehlt in diesem Universum. Wir haben keine Spur davon gefunden. Nichts weiß, was es sein soll.«
»Aber es muss hier doch etwas Vergleichbares geben, oder?«, brummte Ridcully. »Immerhin sieht dieser Ort einigermaßen normal aus. Aus Samen wachsen Bäume und Gras, wie’s scheint. Und die Wolken wissen, dass sie am Himmel bleiben müssen.«
»Herr, du erinnerst dich bestimmt daran, dass in diesem Universum andere Dinge die Funktion von Narrativium ausüben«, erwiderte Ponder in einem Tonfall, der Ich weiß, dass du es vergessen hast besagte.
»Warum sitzen diese Leute dann nur herum?«
»Weil sie nichts anderes zu tun haben!«, sagte Rincewind. »Offenbar existiert hier kaum etwas, das ihnen schaden kann. Es gibt genug zu essen. Die Sonne scheint … Alles ist leicht! Die Ugs sind wie … Löwen. Löwen brauchen keine Geschichten. Man esse, wenn man hungrig ist, und man schlafe, wenn man müde wird. Mehr brauchen sie nicht zu wissen. Was benötigen sie sonst?«
»Aber im Winter wird’s doch bestimmt kalt, oder?«
»Na und? Im Frühling wird’s wärmer! Es ist
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