Die Philosophen der Rundwelt
versucht«, sagte Rincewind. »Während ihr jetzt gerade eure Muschelsuppe gegessen habt, bin ich mit HEX’ Hilfe in die Vergangenheit gereist und habe mich aufgefordert, die Luft anzuhalten, bevor wir in den Fluss fielen. Es hat funktioniert.«
»Du hast die Luft angehalten?«
»Ja. Weil ich mich selbst gewarnt habe.«
»Nun … Hat es irgendwann mal eine Zeit gegeben, in der du nicht die Luft angehalten und Flusswasser geschluckt hast, was dich dazu veranlasst hat, in die Vergangenheit zurückzukehren und dich zu warnen?«
»Ich denke schon. Aber jetzt gibt es eine solche Zeit nicht mehr.«
»Oh, ich verstehe «, sagte der Dozent für neue Runen. »Meine Güte, zum Glück sind wir Zauberer. Andernfalls könnte diese Sache mit den Zeitreisen wirklich verwirrend sein …«
»Zumindest wissen wir, dass HEX noch immer einen Kontakt mit uns herstellen kann«, meinte Ponder. »Ich bitte ihn, uns zurückzubringen.«
Der Bibliothekar beobachtete, wie sie verschwanden.
Und dann verschwand auch alles andere.
VIERZEHN
Pu und die Propheten
Die Ugs haben keine echten Geschichten und daher kein Gefühl für ihren Platz in der Zeit. Sie haben kein Konzept von der Zukunft und daher auch nicht den Wunsch, sie zu verändern.
Wir wissen, dass es andere Zukünfte gibt …
Wie Ponder Stibbons bemerkt, leben wir in einem multiplexen Universum. Wir betrachten die Vergangenheit und sehen Zeiten und Orte, wo es hätte anders kommen können, und wir fragen uns, ob wir in eine andere Gegenwart hätten geraten können. Analog dazu betrachten wir die Gegenwart und stellen uns viele unterschiedliche Zukünfte vor. Und wir fragen uns, welche davon eintreffen wird und was wir tun können, um die Entscheidung zu beeinflussen.
Kann sein, dass wir uns irren. Vielleicht ist die fatalistische Sichtweise, »es steht geschrieben«, die richtige. Vielleicht sind wir alle Automaten, die die deterministische Zukunft in einem Uhrwerk-Universum herbeiführen. Oder vielleicht haben die Quantenphilosophen Recht und alle möglichen Zukünfte (und Vergangenheiten) koexistieren. Oder vielleicht ist alles, was existiert, nur ein Punkt in einem multiplexen Phasenraum von Universen, eine einzelne Karte, die vom Kartenstapel des Schicksals gezogen wird.
Wie haben wir diese Empfindung von uns selbst als in der Zeit existierenden Wesen erworben? Die sich an ihre Vergangenheit erinnern und versuchen, mit ihrer Hilfe (meistens erfolglos) die Zukunft zu bestimmen?
Das alles reicht weit, weit zurück.
Beobachten Sie einen Proto-Menschen, der ein Zebra beobachtet, welches eine Löwin beobachtet. Die drei Säugetiergehirne tun sehr verschiedene Dinge. Das Pflanzenfresser-Hirn hat die Löwin gesehen, ist sich seines ganzen Umkreises von 360 Grad bewusst (wie wir vermuten – beobachten Sie ein paar Pferde auf einem Feld) und hat ein paar Dinge registriert, wie das Grasbüschel da drüben, die Stute dort, die gerade rössig sein könnte, den Hengst, der ihr die richtigen Signale gibt, die drei Büsche, hinter denen sich eine Überraschung verbergen könnte … Wenn sich die Löwin bewegt, bekommt sie plötzlich oberste, aber nicht totale Priorität, denn es gibt noch andere Erwägungen. Hinter jenen Büschen könnte durchaus eine zweite Löwin lauern, und ich sollte lieber zu diesem hübschen Gras hinübergehen, ehe es Nigella tut … Wenn ich so das Gras betrachte, muss ich an den Geschmack von diesem langen Gras denken … DIE LÖWIN BEWEGT SICH.
Die Löwin denkt: Das ist ein hübscher Zebrahengst, den lass ich in Ruhe, er ist zu stark (Erinnerung an eine frühere Augenverletzung vom Tritt eines Zebras), aber wenn ich ihn zum Laufen bringen kann, kann Dora dort hinter den Büschen wahrscheinlich die junge Stute da drüben anspringen, die den Hengst da hinten anzuziehen versucht, und dann kann ich zusammen mit Dora hinter ihr herlaufen …
Das ist wahrscheinlich ein ebenso dürftiger Plan wie der im Hirn des Zebras, doch es wird dabei ein Stückchen Zukunft vorhergesehen, und Erinnerungen werden in die gegenwärtige Planung mit einbezogen. Wenn ich jetzt aufstehe …
Der Mensch betrachtet die Löwin und das Zebra. Selbst wenn es ein Homo erectus war, wetten wir, dass er Geschichten im Kopf hatte. Die Löwin wird hervorspringen, das Zebra wird aufschrecken, die andere Löwin wird sich auf … ah, die junge Stute stürzen. Dann kann ich da hinauslaufen und vor den jungen Hengst kommen; ich sehe, wie ich auf ihn zu renne und ihn mit diesem Stein schlage.
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