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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Der Grund für diese Ungleichheit ist, dass Information nicht dasselbe wie Bedeutung ist. Das ist faszinierend. Den Menschen wirklich wichtig ist die Bedeutung einer Nachricht, nicht die Anzahl ihrer Bits, doch die Mathematiker haben die Bedeutung nicht quantifizieren können. Bisher.
    Und damit sind wir wieder bei Geschichten, die Nachrichten sind, welche eine Bedeutung enthalten. Die Moral lautet, dass wir eine Geschichte nicht mit »Information« verwechseln dürfen. Die Elfen haben den Menschen Geschichten gegeben, aber keinerlei Information. Die Geschichten, auf die die Menschen kamen, enthielten nämlich Dinge wie Werwölfe, die auf der Rundwelt nicht einmal existieren . Darin ist keine Information enthalten – zumindest keine außer dem, was man daraus vielleicht über die menschliche Phantasie erfahren kann.
    Die meisten Menschen, insbesondere Wissenschaftler, haben am liebsten ein Konzept, dem sie eine Zahl zuordnen können. Alles andere halten sie für zu vage, um von Nutzen zu sein. »Information« ist eine Zahl, also schleicht sich dieses bequeme Gefühl von Genauigkeit ein, ohne dass jemandem auffällt, dass es womöglich unberechtigt sein kann. Zwei Wissenschaften, die auf diesem schlüpfrigen Weg ziemlich weit gegangen sind, sind die Biologie und die Physik.
    Die Entdeckung der »linearen« Molekülstruktur der DNS hat der Evolutionsbiologie eine verlockende Metapher für die Komplexität von Organismen und für die Art, wie sie sich entwickeln, geliefert, nämlich: Das Genom eines Organismus verkörpert die Information, die benötigt wird, um ihn zu bauen. Der Ursprung dieser Metapher ist Francis Cricks und James Watsons monumentale Entdeckung, dass die DNS eines Organismus aus »Codewörtern« mit den vier molekularen »Buchstaben« A T C G besteht, die, wie Sie sich erinnern, die Anfangsbuchstaben der vier möglichen »Basen« sind. Diese Beschreibung führte unvermeidlich zu der Metapher, dass das Genom Information über den entsprechenden Organismus enthalte. Das Genom wird tatsächlich häufig so beschrieben, dass es »die zur Herstellung eines Organismus benötigte Information« enthält.
    Die leicht zu treffende Zielscheibe ist hier das Wort »die«. Es gibt zahllose Gründe, warum die DNS eines sich entwickelnden Organismus ihn nicht festlegt. Die nicht dem Genom entstammenden Einflüsse auf die Entwicklung werden zusammen als »Epigenetik« bezeichnet und reichen von der raffinierten chemischen Markierung der DNS bis zur Pflege durch die Eltern. Die schwierige Zielscheibe ist »Information«. Gewiss enthält das Genom in gewissem Sinne Information: Gegenwärtig werden enorme internationale Anstrengungen unternommen, diese Information für das menschliche Genom aufzulisten, und ebenso für andere Organismen wie Reis, Hefe und den Fadenwurm Caenorhabditis elegans . Doch beachten Sie, wie leicht wir in oberflächliche Attitüden abrutschen, denn hier bezieht sich das Wort »Information« auf den menschlichen Geist als Empfänger, nicht auf den sich entwickelnden Organismus. Das »Human Genom Project« informiert uns , nicht die Organismen.
    Diese ungenaue Metapher führt zu dem gleichermaßen ungenauen Schluss, das Genom erkläre die Komplexität eines Organismus in Begriffen der Informationsmenge in seinem DNS-Code. Menschen sind kompliziert, weil sie ein langes Genom besitzen, welches eine Menge Information enthält; Fadenwürmer sind weniger kompliziert, weil ihr Genom kürzer ist. Diese verlockende Idee kann jedoch nicht wahr sein. Beispielsweise ist der Gehalt des menschlichen Genoms an Shannon’scher Information um mehrere Größenordnungen kleiner als die Menge der Information, die benötigt wird, um die Verschaltung der Neuronen im Gehirn des Menschen zu beschreiben. Wie können wir komplexer sein als die Information, die uns beschreibt? Und manche Amöben haben viel längere Genome als wir, was uns etliche Stufen herabholt und noch mehr an der DNS als Information zweifeln lässt.
    Dem weit verbreiteten Glauben, dass die Komplexität der DNS die Komplexität der Organismen erkläre (obwohl sie das sichtlich nicht tut), liegen zwei wissenschaftliche Geschichten zu Grunde, die wir uns erzählen. Die erste Geschichte ist DNS als Blaupause , in der das Genom nicht nur als wichtige Quelle für die Steuerung der biologischen Entwicklung vorkommt, sondern als die Information, die benötigt wird, um einen Organismus festzulegen. Die zweite ist DNS als Nachricht , die Metapher vom »Buch des

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