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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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die Achseln, »aber Sie vergessen, wer ich bin.«
    »Keineswegs«, sagte Sartine, empört über diesen Hochmut.
    »Es fragt sich nur, wie lange Sie noch die Vorteile Ihrer jetzigen Stellung genießen. Mir liegen Erkenntnisse vor, die auf schweren Amtsmissbrauch hinweisen. Zeugen haben ausgesagt, dass Sie persönlich die Überführung Diderots vereitelt haben, indem Sie ihn warnten oder sogar halfen, belastendes Material beiseite zu schaffen. Ein solches Vergehen gilt als Hochverrat.«Er hatte die Drohung aufs Geratewohl hin ausgesprochen, durch nichts anderes begründet als den Verdacht, der aus bloßen Gerüchten und Mutmaßungen resultierte, doch an der Miene seines Vorgesetzten erkannte er, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Würde der mächtige Mann jetzt begreifen, dass er keinen Hanswurst vor sich hatte?
    »Sie widerlicher kleiner Spitzel«, sagte Malesherbes, und seine grauen Augen drückten abgrundtiefe Verachtung aus.
    »Verlassen Sie sofort mein Haus!«
    »Mit Ihrer gütigen Erlaubnis«, sagte Sartine und nahm seinen Dreispitz, den ein Lakai ihm reichte.
    Als die Tür sich vor ihm öffnete, ließ er ein letztes Mal seinen Blick durch den Raum schweifen. Nein, er gehörte nicht in diese Welt. Malesherbes hatte ihm bereits den Rücken zugewandt und blätterte in irgendwelchen Papieren.
    Sartine schluckte, als stecke eine Kröte in seinem Hals. Die Arroganz, mit der ihm dieser Mann, der den Erfolg seiner Ermittlungen vereitelt und ihn der Lächerlichkeit preisgegeben hatte, hier in diesem Haus vollkommene Gleichgültigkeit bekundete, war erniedrigender als jede noch so bösartige Beleidigung. Diese Geste machte Sartine klar, wer er war und wo er stand. Niemals würde er sich gegen den Liebhaber seiner Frau auflehnen können, was der ihm auch immer antat. Im Gegenteil – er, Antoine Sartine, würde nun geopfert, als kleines Rädchen im großen Getriebe der Macht, wie er es schon vor langer, langer Zeit befürchtet hatte, und er würde alles verlieren, was er sich in über zwanzig Jahren erarbeitet hatte, seine Karriere, seine Zukunft, sein Leben. Sogar der Blick des Lakaien, der ihm die Tür des Salons aufhielt, drückte nichts als Verachtung aus, als wäre er ein Bettler, der nur aus Versehen hierher vorgedrungen war.
    Sartine fühlte sich plötzlich so ohnmächtig wie früher in manchen schlaflosen Nächten, in denen er von Zweifeln geplagt an Sophies Seite gelegen hatte, unfähig, sie zu berühren.
    Ohne zu überlegen, was er sagte, richtete er noch einmal das Wort an Malesherbes. Man konnte ihm seine Ehre nehmen, nicht aber seinen Stolz.
    »Übrigens, bevor ich gehe, möchte ich Ihnen noch einen Gruß ausrichten.« Er machte eine Pause, bevor er weitersprach. »Von Abbé Morel. Aus Beaulieu.«

7
     
    »Er hat wirklich in die Scheidung eingewilligt?«
    Der Duft von Ambra, vermischt mit dem Horngeruch verbrannten Haars, erfüllte die Luft im Boudoir der Pompadour, während sich ein Friseur mit Kamm, Kräuselschere und unglaublich flinken Fingern um die Mätresse des Königs bemühte.
    »Ein Bote hat mir heute Morgen die Nachricht gebracht«, erwiderte Sophie, die mit einem Brief in der Hand hinter dem Frisierschemel stand. »Monsieur de Malesherbes hat sie mir geschickt.«
    Die Pompadour hörte nur mit halbem Ohr hin. Ihre Aufmerksamkeit galt ihrem Konterfei im Spiegel, dessen Verschönerung nur mühsam vorankommen wollte. Ein gutes Hundert Wickel steckte in ihrem Haar, das der Friseur Stück für Stück von der Stachelhörnerzierde befreite, um die lockigenSträhnen mit einem heißen Eisen zu frisieren und mit Unmengen von Puder zu bestäuben.
    »Ist es nicht absurd?«, fragte sie über die Schulter. »Mit dem Mehl, das ich brauche, um meinem Haar die natürliche Farbe zu nehmen, könnte man eine ganze Familie ernähren. Dabei zwingt das weiße Zeug mich nur, noch mehr Rouge aufzutragen.«
    »Tadeln Sie nicht uns!«, erwiderte der Friseur, der unablässig um sie herumtänzelte. »Die Modistinnen sind die wirkliche Plage. Für ihren Flitterkram gibt man in Paris mehr aus als für Essen und Trinken. Was für ein Unglück für den Ehemann, der das alles zahlen muss! Nicht wenige gehen daran zugrunde! Nur weil immer mehr Bürgersfrauen sich einbilden, für sie sei gerade gut genug, was eine Marquise oder Gräfin sich kaum leistet.«
    Während der Friseur plapperte und plapperte, korrigierte die Pompadour ihn immer wieder mit kleinen Hinweisen und Gesten in seinem Tun. Sie war so stark geschminkt, um die

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