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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Leid.
    »Was glaubst du, war sein Preis, Sophie?«
    Die Frage riss sie aus ihren Gedanken. Die Pompadour hatte die Enzyklopädie beiseite gelegt und schaute sie an.
    »Preis? Ich weiß nicht, wovon Sie reden …«
    Die schwarzblauen Augen ihrer Gönnerin glänzten wie im Fieber.
    »Von dem Grund, weshalb Sartine in die Scheidung eingewilligt hat«, sagte die Pompadour. »Glaub mir, wenn ein Mann eine solche Unzulänglichkeit mit seiner Unterschrift eingesteht, dann nur zu einem sehr hohen Preis.«

8
     
    »Ich gratuliere Ihnen von Herzen, Monsieur
de
Sartine. Es ist mir eine außerordentliche Freude, Sie an diesem Platz zu sehen. Wenn ein Mann diese Ernennung verdient hat, dann Sie.«
    »Ich danke Ihnen,
mon père.
Ich hoffe nur, Sie werden mich auch in Zukunft meiner Aufgabe für würdig befinden.«
    Die beiden Männer schüttelten einander die Hand. Pater Radominsky war der erste Besucher, den Sartine in seinem neuen Amt empfing, nachdem der Kanzler der Regierung ihn zum Polizeipräfekt von Paris ernannt hatte – auf Vorschlagseines Sohnes Malesherbes. Auf dessen Betreiben hatte König Ludwig sogar die zweihundertfünfzigtausend Livres, die der Erwerb des höchsten Polizeiamts im Staat kostete, aus seiner Privatschatulle abgezweigt und den neuen Generalleutnant zugleich in den Adelsstand erhoben, sodass Sartine seine Berichte und Bescheide nunmehr mit »Antoine
de
Sartine« unterzeichnen durfte. Ja, er hatte es immer gewusst, wer diesem Staat mit dem gebührenden Eifer diente, konnte es sehr weit bringen. Nun hatte er es weiter gebracht, als er es sich erträumt hatte. Die Zeit der Ohnmacht war vorbei.
    »Ihre Ernennung ist das Zeichen«, sagte Radominsky, »auf das ich seit zwei Jahren gewartet habe. Gott ist endlich wieder mit den Seinen! Doch wir dürfen deshalb nicht ruhen – der Feind schläft nicht. Wie Sie wissen, wird gerade der erste Tafelband der Enzyklopädie an die Subskribenten ausgeliefert. Das Unternehmen geht weiter! Ich habe mein Exemplar gestern erhalten.«
    »Ich bereits vor einer Woche.«
    Sartine tippte auf den druckfrischen Bildband auf seinem Schreibtisch. Radominsky schlug das Buch auf, um darin zu blättern.
    »Was für ein prachtvolles Werk«, murmelte der Pater. »So prachtvoll wie aus der Werkstatt des Teufels.«
    Der Anblick der Illustrationen nötigte auch Sartine klammheimliche Bewunderung ab. Das Buch zeigte alle Wunder dieser Welt. Ob Webstuhl oder Flaschenzug, das Zaumzeug eines Pferdes oder der Querschnitt eines menschlichen Schädels: Die Tafeln gaben die Dinge so gestochen scharf wieder, dass man glaubte, sie wirklich und wahrhaftig vor Augen zu haben. Es kostete Sartine fast Überwindung, seine Augen davon abzuwenden.
    »Ich habe Informationen«, sagte er, »wonach die russische Zarin Katharina dem Herausgeber angeboten hat, die Enzyklopädie in Petersburg oder Riga zu vollenden.«
    »Der Vorschlag ist eine Provokation Frankreichs«, erwiderte Radominsky, immer noch in den Anblick der Bilder versunken. »Es soll der Eindruck entstehen, dass in Paris die Philosophie verfolgt wird, während die Skythen sie fördern.«
    »Diderot hat das Angebot abgelehnt, mit Hinweis auf die Eigentumsrechte der Verleger an den Manuskripten. Lieber wolle er, so seine Antwort, zum Märtyrer der Wahrheit werden, als ins Ausland fliehen. Das schulde er seinem Ruf als Philosoph.«
    Radominsky blickte von dem Buch auf. »Glauben Sie im Ernst, dass dies der wirkliche Grund ist?«
    Sartine schüttelte den Kopf.
    »Natürlich nicht«, bestätigte der Pater. »Diderot fühlt sich in Paris sicher, darum will er bleiben.«
    Die zwei Männer schauten sich an. Sartine wusste, was Radominsky meinte. Der Plan der Jansenisten war aufgegangen. Der Jesuitenorden, die Kampftruppe des Glaubens und des Gottesstaates, war entmachtet – wegen Unruhen auf ein paar Missionsstationen, fernab in Südamerika. Sartine hatte die Fakten im Kopf: Im August war das Parlament mit achtundneunzig von einhundertzwölf Stimmen zu dem Urteil gelangt, die Gesellschaft Jesu widerspreche dem Naturrecht und sei als Feind der französischen Gesetze aus dem Königreich zu entfernen. Während der Besitz des Ordens beschlagnahmt worden war, hatten die Patres in nur acht Tagen ihre Häuser räumen, ihre Tracht ablegen und sich von jeder Verbindung mit ihren Oberen lösen müssen. Zugleich hatte dieMarquise de Pompadour in Rom Klage erhoben, dass die Jesuiten ihr weiter die Kommunion verweigerten, trotz ihres Entschlusses, für den König

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