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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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durfte sie ihn auf keinen Fall dem König vorschlagen. Doch was geschah, wenn sie sich dem Wunsch des Paters verweigerte? Dann schlug sie zugleich das Friedensangebot aus, das er ihr machte, und das mögliche Band zwischen ihr und der Königin war zerschnitten, noch ehe es geknüpft war. Die Pompadour ahnte, dies war ein Augenblick, der über ihre Zukunft entschied. Sie musste jetzt etwas sagen – doch was? »Monsieur de Maupéou«, erwiderte sie zögernd, »ist sicher ein Mann von höchsten Qualitäten. Doch was halten Sie«, fragte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, »von Chrétien de Malesherbes?«
    »Malesherbes de Lamoignon? Der Sohn des Kanzlers?«, fragte Radominsky mit erhobenen Brauen zurück. Sein Gesicht drückte gleichzeitig Überraschung und Hochachtung aus.
    »Eine brillante Idee, Madame.«
    »Ihr Beifall freut mich, Ehrwürdiger Vater. Dann meinen auch Sie, Monsieur de Malesherbes sei ein Kandidat, den ich dem König mit gutem Gewissen empfehlen kann?«
    »Ganz gewiss«, bestätigte der Pater. »Nur … würden Sie bitte bald mit ihm sprechen? Die Angelegenheit eilt. Ein paar sogenannte Philosophen rotten sich gerade zusammen, um eine Enzyklopädie zu schreiben, die das Wohl der Kirche und des Staats aufs äußerste gefährden könnte.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, mich um die Sache zu kümmern«, sagte die Pompadour mit wiedergewonnener Sicherheit und streckte ihm die Hand entgegen, damit er seinen Abschied nahm. »Bitte richten Sie der Königin meine untertänigsten Grüße aus.«

8
     
    Selten war Sophie bei der Arbeit so fahrig gewesen wie heute. In der Nacht hatte sie kein Auge zugetan, und am Nachmittag hatte sie vor lauter Ungeschick eine teure Milchkanne fallen lassen, die sie nun von ihren Ersparnissen ersetzen musste. Was war nur mit ihr los? Lag es daran, dass Vollmond war? Außerdem hatte sie kaum etwas gegessen – der Koch hatte ihr nur schimmlige Abfälle gegeben. Aber so sehr sie auch versuchte, vernünftige Gründe für ihren Zustand zu finden, wusste sie doch, dass etwas ganz anderes die eigentliche Ursache war. In Wirklichkeit hatte sie immerzu an Monsieur Diderot denken müssen. Ob er heute wohl wieder ins »Procope« kommen würde?
    »Mademoiselle Sophie!«
    An einem kleinen Tisch unweit des Eingangs saß Antoine Sartine und verrenkte sich nach ihr den Hals, wie stets ein Lächeln im freundlichen Gesicht. Bei seinem Anblick überkam Sophie das schlechte Gewissen wie eine Hitzewallung. Den hatte sie ja ganz und gar vergessen! Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und eilte an seinen Tisch.
    »Wie immer eine Tasse Kaffee, Monsieur Sartine?«
    »Wie immer eine Tasse Tee«, verbesserte er sie, weiterhin lächelnd. Dann wurde seine Miene ernst. »Haben Sie inzwischen über meine Frage nachgedacht?« Ein verlegenes Zucken spielte um seinen Mund, und sein helles Gesicht färbte sich rosa.
    »Ja gewiss«, stammelte sie, »das heißt …«
    Ein eintretender Gast schob sich zwischen sie. Bevor Sartine etwas sagen konnte, nutzte Sophie die Gelegenheit und flohzum Tresen. Während sie dort seine Bestellung besorgte, überlegte sie fieberhaft, was sie ihm antworten sollte. Sie konnte sich doch unmöglich hier und jetzt entscheiden – es ging doch um ihr ganzes zukünftiges Leben!
    »Schokolade?«, fragte er verwundert, als sie mit ihrem Tablett an seinen Platz zurückkehrte.
    Irritiert sah sie auf seine Tasse – der Schaum war mit Zimt und Vanille bestäubt. Eilig wandte sie sich ab, um den Fehler zu korrigieren. Da erblickte sie Diderot, nur eine Armlänge von ihr entfernt. Mit einem so unverschämten Grinsen, als habe er sie beim Baden überrascht, schaute er sie an. Tablett, Tasse, Untertasse, alles fiel ihr aus der Hand. Unter dem Gelächter der Gäste stürzte sie zur Schanktür hinaus, vorbei an Sartine und Diderot.
    In der Küche sank sie auf einen Schemel. Was für ein Tag! Zusammen mit der Milchkanne würde er sie einen ganzen Wochenlohn kosten, mehr Geld, als sie besaß. Sie wusste, sie musste schleunigst zurück in den Schankraum – wenn Monsieur Procope sie hinauswarf, blieb ihr nur die Rückkehr nach Saint-Marceau zu den Tagelöhnern und Kloakenreinigern. Bei der Vorstellung schloss sie die Augen. Aber zurück zu Diderot und Sartine? Sie bat eine Spülfrau, die Scherben für sie aufzusammeln und danach den Dienst mit ihr zu tauschen. Keine zehn Pferde würden sie heute noch einmal in die Gaststube bringen. Lieber wollte sie bis an ihr Lebensende in

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