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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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dass er ihre Hand geküsst hatte, »Sie um einen Gefallen zu bitten. Eine Kleinigkeit, die Sie kaum Mühe kosten wird.«
    »Einen Gefallen?«, fragte die Pompadour ein wenig irritiert. Als Beichtvater der Königin war Radominsky ihr natürlicher Feind.
    »Es geht darum, einen neuen Direktor der königlichen Hofbibliothek zu benennen. Ihrer Majestät ist sehr daran gelegen, Ordnung in das Buchwesen zu bringen.« Er machte eine Pause, dann fügte er bedeutungsvoll hinzu: »Ich dachte, vielleicht wäre dies ein Anlass, die Freundschaft zwischen Ihrer Majestät und Ihnen zu vertiefen.«
    »Der Königin zu gefallen ist mein innigster Wunsch«, erwiderte die Pompadour. »Allein, ich bin ratlos, wie ich ihr in dieser Sache dienen kann. Bisher wusste ich nicht einmal,dass es ein solches Amt überhaupt gibt. Wie sagten Sie – Direktor der Hofbibliothek?« Mit einer Geste forderte sie den Pater zum Setzen auf.
    »Ein sehr wichtiges Amt. Der Direktor der Hofblibliothek ist zugleich oberster Zensor von Frankreich. Täglich erscheinen Dutzende neuer Bücher, da gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen.« Er wartete, bis seine Gastgeberin saß, bevor er Platz nahm und in seiner Rede fortfuhr. »Die Königin macht sich Sorgen um den Zustand der Kirche in diesem Land. Nicht genug, dass einige Bischöfe und Priester es am nötigen Gehorsam gegenüber Rom fehlen lassen, tragen sie auch noch ihre Kritik in Schmähschriften unters Volk, um dort den Geist des Widerspruchs zu schüren.«
    »Ist es so schlecht um unsere Kirche bestellt?«, fragte die Pompadour. »Das wundert mich. Immerhin reicht ihre Macht aus, um die Favoritin des Königs zu exkommunizieren.«
    »Lassen Sie mich allgemein antworten, Madame«, sagte Radominsky ausweichend. »Die Kirche ist ein prachtvolles Gebäude, doch dieses Gebäude hat im Lauf der Zeit Risse bekommen. Schuld daran ist die Kritik, die sich wie Hausschwamm in die Fugen und Ritzen frisst, um das Mauerwerk auszuhöhlen. Wenn wir das Gebäude erhalten wollen, müssen wir der schleichenden Zersetzung Einhalt gebieten.«
    »Und diese Zersetzung geht von harmlosen Büchern aus?«
    »Bücher sind niemals harmlos, Madame«, erklärte er streng.
    »Entweder sie stärken oder sie schwächen uns im Glauben. Die einen tun dies, indem sie uns unterhalten, die anderen, indem sie uns belehren. Auf unsichtbare Weise dringen ihre Lehren in unsere Herzen und Seelen, um für immer darin fortzuwirken, wie heilende oder giftige Dämpfe atmen wir ihren Geist. Sie können den größten Nutzen bringen unddas größte Verderben, denn aus den Ideen, die sie verbreiten, entstehen künftige Taten. Darum hat die Kirche größtes Interesse daran, nur solche Bücher zu fördern, die dem Wohl des Glaubens dienen, und jene zu verhindern, die dem Glauben Schaden zufügen. Wollen Sie der Königin dabei helfen?« Die Pompadour schaute Radominsky an. Was war das für ein Angebot, das der Beichtvater ihrer Rivalin da machte? Reichte er ihr die Hand, oder lockte er sie in eine Falle? Sie hatte großen Respekt vor diesem Mann. Der polnische Jesuit war keiner von den vielen eitlen Abbés am Hof, die ihre Soutane beim Anblick einer hübschen Frau so leichtfertig ablegten, wie sie einst bei der Priesterweihe ihr Keuschheitsgelöbnis abgelegt hatten. Er nahm sein Priestertum ernst – die Pompadour hatte noch von keiner Verfehlung Radominskys gehört, obwohl er mit seiner hohen Statur und den durchgeistigten Gesichtszügen ein auffallend schöner Mann war, dem es an Gelegenheit sicher nicht fehlte. Er hatte die Kraft, der Leidenschaft zu entsagen. Darauf, mehr noch als auf seinem Amt, beruhte die Autorität, die er ausstrahlte. Dieser Mann, das spürte die Pompadour, hatte Macht über andere, weil er Macht über sich selbst besaß. Sie fühlte sich ihm verwandt. »Was kann ich tun, Ehrwürdiger Vater, um die Königin in ihrem Bemühen zu unterstützen?«
    Ein freudiges Lächeln ging über Radominskys Gesicht. »König Ludwig schenkt Ihnen Gehör«, erwiderte er. »Wenn Sie Seiner Majestät in einem geneigten Augenblick einen Namen nennen könnten – Sie würden der Kirche einen großen Dienst erweisen.«
    »Und an welchen Namen haben Sie gedacht?«
    »Vielleicht René-Nicolas de Maupéou? Ein Mann, dessen Glaubensstrenge über jeden Zweifel erhaben ist.«
    Das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarb. Sie kannte den jungen
Gentilhomme
– er gehörte zu ihren ärgsten Widersachern am Hof. Wenn das Amt, um das es ging, von solcher Wichtigkeit war,

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