Die Philosophin
prachtvoll verzierte Sahnetorte erinnerte. Radominsky verzog angewidert das Gesicht. Die Szenerie wirkte in ihrer anmutigen Duftigkeit auf ihn, als sei sie der mythischen Liebesinsel Kythera nachgebildet – selbst die Natur schien hier nicht von Gotteshand geschaffen, sondern von einem Künstler oder Galanteriewarenhändler arrangiert, ebenso fantasievoll wie geschmacklos.
Nur widerwillig verließ Radominsky die Kutsche. Dann aber gab er sich einen Ruck und ging auf die Freitreppe zu. Denn in diesem Schloss, zu dem nur ein kleiner Kreis von Auserwählten Zugang hatte, residierte Madame de Pompadour, die Mätresse des Königs und mächtigste Frau im ganzen Reich. Ihr wollte der Pater seine Aufwartung machen.
7
Die Marquise de Pompadour war sechsundzwanzig Jahre jung, und doch galt sie bereits als vollendetes Sinnbild ihres Geschlechts. Alle Talente, alle Anmut schienen in ihr vereint. Mit ihrem weißen Teint, den blassrosa Lippen und den Augen von unbestimmter Farbe, in denen sich schwarze Sehnsucht und blaue Verheißung paarten, besaß sie alle Gaben, um ihren selbst gewählten Lebenszweck zu erfüllen: ihrem Herrscher zu gefallen, um ihn nach Gefallen zu beherrschen. Bereits im Alter von neun Jahren war ihr geweissagt worden, sie werde einmal die Mätresse des Königs von Frankreich sein. Seitdem pflegte sie diesen Traum und setzte ihre ganze Tatkraft daran, dass er Wirklichkeit wurde. Sogar ihre Heirat mit Monsieur d’Étioles diente einzig diesem Zweck. Ohne Scheu nutzte sie das Vermögen ihres Mannes, um sich selber zu vervollkommnen: Sie lernte singen und Cembalo spielen, nahm Unterricht im Tanzen, in der Rede- und in der Reitkunst. Dabei kreisten alle ihr Gedanken nur darum, von Ludwig bemerkt zu werden. Wann immer sich ihr Gelegenheit bot, war sie zwischen den Pferden, den Hunden, dem Gefolgedes Königs zu sehen, und auf einem Maskenball gelang es ihr endlich, sich Ludwig zu nähern. Als Domino verkleidet, umwarb sie ihn mit einem Lächeln, für das ihr Gatte sein Leben gegeben hätte, und als sie auf Drängen des Monarchen die Halbmaske lüftete, ließ sie ihr Taschentuch zu Boden fallen. In diesem Augenblick hatte sie das Herz des Königs erobert, um es nie wieder preiszugeben – eher würde sie ihr eigenes opfern als dieses.
Der Maskenball lag nun anderthalb Jahre zurück, und seitdem war kaum ein Tag vergangen, an dem der Herrscher ihr nicht seine Gunst bezeugt hätte. Als letztes Zeichen seiner Zuneigung hatte Ludwig ihr, nachdem sie sich von Monsieur d’Étioles hatte scheiden lassen, das Lustschloss La Celle geschenkt. Hier flocht sie gerade mit ihrer dreijährigen Tochter Alexandrine einen Blumenkranz, als ein Lakai Besuch für sie meldete.
»Pater Radominsky?«, fragte sie verwundert.
Sie setzte Alexandrine den Kranz auf den blonden Lockenkopf und schickte sie mit einem Kindermädchen hinaus. Was mochte Radominsky von ihr wollen? Kam er im Auftrag der Königin, um sie ins Gebet zu nehmen? Maria Leszczynska wollte noch immer nicht wahrhaben, dass ihr Mann die Wonnen in den Armen seiner Mätresse den Erbauungsandachten bei seiner Gemahlin vorzog.
Die Pompadour war auf der Hut. Obwohl Ludwig sie in den Stand einer Marquise erhoben hatte, war ihre Stellung am Hof längst nicht gefestigt. Denn ihrer Person haftete ein Makel an, der sich nicht korrigieren ließ: der Makel ihrer Geburt. Sie hatte das Unglück, die Tochter eines Monsieur Poisson zu sein, der wegen dunkler Geschäfte zum Tod durch den Strang verurteilt worden war und darum vorzog, im Auslandzu leben. Mit boshaftem Spürsinn waren die Höflinge bis auf den Grund ihrer Seele gedrungen, hatten ihre Herkunft wie einen Haufen Unrat durchwühlt, ihre Sprache und Manieren studiert, um schließlich herauszufinden, dass ihr ebenjene Vornehmheit fehle, die sich weder erwerben noch erlernen ließ, sondern die über Generationen vererbt werden musste.
Durch diese Erkenntnis geeint, hatte sich eine Liga am Hof gebildet, deren Ziel es war, Ludwig gegen sie einzunehmen. Die unterschiedlichsten Parteien feindeten sie an. Nicht nur die Königin und deren devote Gefolgschaft, auch der Kanzler und der Parlamentspräsident setzten alles daran, ihren Einfluss auf den Herrscher zu beschneiden. Und vor all diesen Angriffen und Intrigen schützte sie nur eins, die Verliebtheit des Königs, doch die, da gab die Pompadour sich keinen Illusionen hin, war so vergänglich wie ihre Schönheit.
»Ich bin gekommen«, eröffnete Radominsky das Gespräch, kaum
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