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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Pompadour, obwohl ein Exemplar der berüchtigten Novellensammlung stets unter ihrem Kopfkissen lag. »Bitte befreien Sie mich von meiner Unwissenheit.«
    »Auf die Gefahr hin, Ihr Zartgefühl zu verletzen«, sagte Malesherbes mit einer Verbeugung. »In dem Roman geht es um eine äußerst delikate Wette. Der Sultan behauptet, dass nicht
eine
Frau an seinem Hofe imstande sei, ihrem Mann dieTreue zu halten. Sie können sich vielleicht denken, welcher Art die Beweisführung ist?«
    Dabei blickte er sie so unverwandt an, als wäre die Rede von ihr.
    »Woher sollte ich? Ich fürchte, ich kann mir die Folter Ihres Berichts nicht ersparen. – Alexandrine!«, rief sie und klatschte in die Hände. »Höchste Zeit für den Unterricht! Dein Tanzlehrer wartet schon!«
    Während ihre Tochter mit einem vollendeten Hofknicks den Raum verließ, nahm Malesherbes eine weitere Prise aus seiner Tabaksdose, bevor er begann, den Inhalt des Romans zu resümieren. Die Pompadour hörte aufmerksam zu, nur manchmal unterbrach sie ihn mit einer Bekundung ihres Abscheus. Tatsächlich aber verspürte sie, je länger sie lauschte, eine kribbelnde Erregung in ihrem jungen Leib. Was für ein entzückender kleiner Roman! Kleinode, die der Sprache mächtig waren? Selten hatte sie von einer so charmanten Caprice gehört … Der Verfasser musste ein Genie sein!
    »Nun? Was ist? Warum fahren Sie nicht fort?«, fragte sie ungeduldig, als Malesherbes plötzlich innehielt.
    »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen noch mehr zumuten darf«, sagte der Staatsrat mit besorgter Miene. »Auch wenn ich nur berichte, was ein fremder Geist ersann, fürchte ich doch, die Mätresse des Königs zu beleidigen.«
    »Sie haben ihr schon solche Ungeheuerlichkeiten zugemutet, dass sie sich keine weitere Steigerung mehr vorstellen kann. Nun, worauf warten Sie?«
    Wie um seinen Widerwillen zu überwinden, schnäuzte er sich, bevor er sich zu ihr neigte, um ihr den Rest ins Ohr zu flüstern. Als sie seine Worte vernahm, gingen ihr vor Staunen die Augen über.
    »Die Favoritin des Sultans? Wie eine Matrone in einem dieser Häuser? Sie sehen mich erröten, Monsieur«, rief sie, als Malesherbes zu Ende gesprochen hatte.
    »Hatte ich Sie nicht gewarnt?«
    »Gewiss, gewiss. Doch musste ich nicht meiner Pflicht gehorchen? Wie auch immer, um des Wohls des Landes willen habe ich die Folter gern auf mich genommen.«
    Die Pompadour sprach die lautere Wahrheit. Denn was ihr Gast ihr gerade ins Ohr geflüstert hatte, inspirierte sie zu einer Idee, auf die noch keine Mätresse des Königs verfallen war. Dieser entzückende kleine Roman, so sagte ihr eine innere Stimme, bedeutete vielleicht die Lösung all ihrer Probleme. Noch heute, beschloss sie, würde sie Anordnungen treffen, ihre Idee in die Tat umzusetzen.
    Laut sagte sie: »Bitte sorgen Sie für die nötigen Ermittlungen. Wir können solche Bücher unmöglich dulden. – Apropos«, unterbrach sie sich, um das Thema zu wechseln, »was machen eigentlich unsere Enzyklopädisten?«

3
     
    Denis Diderot saß zu dieser Stunde wie jeden Morgen an seinem Schreibtisch, ohne einen Gedanken an den fraglichen kleinen Roman zu verschwenden, den er vor so vielen Monaten aus einer Laune heraus zu Papier gebracht hatte. Umgeben von zwanzig großen Pappkartons, die bis zum Rand mit Notizzetteln, Kopien und Exzerpten gefüllt waren, schrieb er einen neuen Artikel für die Enzyklopädie. Dabei war er so tiefin die Arbeit versunken, dass er noch nicht einmal daran gedacht hatte, seinen scharlachroten, von zahllosen Tintenflecken übersäten Schlafrock gegen einen ordentlichen Anzug zu tauschen.
    Mit jedem Tag nahm das große Werk deutlichere Gestalt an. Wenn alles nach Plan ging, sollte der erste Band im nächsten Jahr erscheinen; er selbst hatte bereits den Prospekt mit der Ankündigung verfasst. Le Bréton trommelte unterdessen in ganz Frankreich Drucker und Setzer zusammen und hortete in seinem Verlagshaus in der Rue de la Harpe Unmengen an Papier. Glänzende Geschäfte zeichneten sich ab. Die Subskription, die der Verleger in den Pariser Zeitungen ausgeschrieben hatte, war so erfolgreich verlaufen, dass er die ursprünglich kalkulierte Auflage von eintausendsechshundertfünfundzwanzig Exemplaren schon vor Druckbeginn um mehrere hundert hatte erhöhen müssen. Seitdem bewegte Le Bréton seinen massigen Leib nur noch in einer Sänfte durch die Stadt.
    Seinen Herausgebern Diderot und d’Alembert zahlte er einhundertvierundvierzig Livres pro Mann und Monat,

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