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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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    Oder – Diderot wagte den Gedanken kaum zu denken – Sophie?
    Es dauerte keine Stunde, bis die Tür wieder geöffnet wurde und Sartine zurückkehrte, zusammen mit zwei Wachsoldaten, die Diderot bisher noch nicht gesehen hatte.
    »Ganz wie ich vermutet hatte«, sagte der Inspektor. »Der Verleger Le Bréton hat Ihre Urheberschaft an dem Roman zweifelsfrei bestätigt. Und ebenso an den Druckfahnen, die heute Morgen bei Ihnen beschlagnahmt wurden.« Kopfschüttelnd schaute er Diderot an. »Für solchen Schund gefährden Sie ein Werk wie die Enzyklopädie?«
    Für eine Sekunde schöpfte Diderot Hoffnung. War der Inspektor ein heimlicher Sympathisant?
    Doch bevor er den Mund aufmachen konnte, drehte Sartine sich zu den zwei Gardisten in der Tür herum und rief: »Abführen!«

9
     
    Sartines Bericht an seine Vorgesetzten führte zu einem Streit, der unter den schönsten Augen von Frankreich ausgetragen wurde, den Augen der Marquise de Pompadour. Ohne diese Frau wurde in Versailles keine Frage von Belang mehr entschieden. Seit sie ihrem Herrscher nach dem Vorbild eines kleinen erotischen Romans ein veritables Serail eingerichtet hatte, in dem immer wieder andere, immer wieder neue Gespielinnen sich um das Glück Seiner Majestät bemühten, war ihre Stellung am Hof unantastbar. Pläne und Bittschriften, die ihr unterbreitet wurden, bedachte sie nur noch mit einem majestätischen »Wir werden sehen«. Mit diesem »Wir«, das ihr von den Lippen floss, als sei sie mit dem Pluralis Majestatis geboren, schien sie das ganze Königreich unter ihren Befehl zu stellen, und ihre Tochter Alexandrine, die sie wie eine Prinzessin erziehen ließ, nannte sich, wie bei echten Prinzessinnen üblich, nur mit ihrem Taufnamen.
    »Der Roman stellt einen gefährlichen Angriff auf die Moral dar. Wenn das Volk die Auffassungen der Liebe und Ehe praktiziert, die in diesem abscheulichen Opuskulum dargestellt werden, löst sich die Gesellschaft auf.«
    »Meinen Sie nicht, dass Sie übertreiben? Die
Kleinode
sind doch eine Lappalie. Abgesehen davon, sitzt der Verfasser seit diesem Morgen in einer Zelle und bereut seine Taten. Ich habe ihn auf höchste Anordnung ermitteln und wegsperren lassen.«
    »Lappalie? Der Roman beschreibt das Treiben in einem orientalischen Harem! Es reicht nicht, dass dieser Diderot fürein paar Wochen hinter Gitter kommt. Sie müssen ihn ein für alle Mal aus dem Verkehr ziehen!«
    »Soll ich mich lächerlich machen? Wenn ich so mit allen Autoren verfahren würde, die irgendwann in ihrem Leben einen schlüpfrigen Roman geschrieben haben, müsste ich halb Frankreich ins Gefängnis stecken. Wer weiß, vielleicht käme ich gar in die Verlegenheit, mich selbst zu verhaften.«
    Père Radominsky musste sich beherrschen, um seinen Zorn zu unterdrücken. Statt dass der Direktor der königlichen Hofbibliothek ihn unterstützte, die Arretierung Diderots zum Wohl von Kirche und Staat zu nützen, machte er sich über sein Anliegen lustig. Der Pater hatte zunehmend Zweifel, dass der Sohn des Kanzlers der richtige Mann für das Amt des obersten Zensors von Frankreich war. Dieser Malesherbes war ein intelligenter Bursche, keine Frage, aber ohne jeden Charakter, ein geistreicher Opportunist, der für ein gelungenes Bonmot die Zukunft Frankreichs opfern würde. Es konnte einem übel davon werden! Mit einem gequälten Lächeln wandte Radominsky sich an Madame de Pompadour, die sie beide zu sich gerufen hatte.
    »Was ist Ihre Meinung, Marquise? Kann die Regierung Zuchtlosigkeiten dulden, wie dieser Roman sie propagiert?« Die Pompadour zögerte mit der Antwort.
»Quod licet Jovi, non licet bovi«
, sagte sie dann mit einem so unschuldigen Lächeln, als hätte sie von dem fraglichen Buch nie gehört. »Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.«
    »Bravo!«, rief Malesherbes. »Ein wahrhaft majestätisches Urteil!«
    Radominsky stutzte. Was bedeutete der verständnisinnige Blick, den die Pompadour und Malesherbes gerade tauschten? Sollte am Ende wirklich wahr sein, was am Hof gemunkeltwurde? Dass der Hirschgraben, das neue Lustschloss des Königs… Bevor er etwas Falsches sagte, beschloss der Pater, seine Strategie zu ändern.
    »Ich bewundere Ihr Latein, Madame, und noch mehr Ihren philosophischen Esprit. Aber wir dürfen uns keinen Leichtsinn erlauben. Dieser Diderot ist kein unbedeutender Schmierfink, der für ein paar Sous die Geilheit seiner Leser anstachelt, sondern der Herausgeber der Enzyklopädie, mit

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