Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Hintern in der Tür stecken bleibt.“
Hammond hustete, aber seine zuckenden Lippen verrieten, dass er mühsam ein Lachen unterdrückte.
„Du hattest eine Beziehung mit Mr Sanducci?“, fragte Landsdown.
„Nein.“
Was mich mit Jimmy einmal verbunden hatte, konnte man beim besten Willen nicht Beziehung nennen. Für Jimmy hatte dieses Wort keine Bedeutung. Und wenn ich ganz ehrlich war, für mich auch nicht. Deshalb hätte ich ihm eigentlich nicht böse sein sollen, war es aber.
„Was wollt ihr von ihm?“
Hammond fing meinen Blick auf. „Was glaubst du?“
Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ich es begriff. Aber dann kam ich so plötzlich hoch, dass Hammond zurückwich und dabei fast mit seinem Stuhl umgekippt wäre.
„Jimmy würde niemandem etwas tun.“
„Als Kind ist er da nicht so zimperlich gewesen.“
Ich blinzelte. Die Akten von Minderjährigen wurden unter Verschluss gehalten. Sie konnten unmöglich von der Sache mit Jimmy und…
Ich stoppte den Gedanken, bevor meine Gefühle mich verrieten. Anscheinend nicht schnell genug.
„Du weißt, dass Sanducci zu einem Mord fähig ist“, sagte Landsdown in triumphierendem Ton.
Das wusste ich, aber sagen würde ich es ihnen nicht.
„Er hätte Ruthie niemals etwas angetan. Niemals.“
Hammond zuckt die Achseln. Er schien nicht überzeugt zu sein.
„Warum seid ihr denn so sicher, dass es Sanducci war?“
„Rauchende Colts.“
„Colts?“ Das sah Jimmy überhaupt nicht ähnlich.
„Das sagt man so. Es war ein Messer. Reines Silber“, ließ Hammond verlauten.
In mir zog sich alles zusammen. Das hörte sich schon viel eher nach Jimmy an. Mit seinen Messern war er eigen.
„Er ist vom Tatort geflohen.“
„Das reicht ja wohl kaum aus.“
„Fingerabdrücke am Messer, zum Teufel, überall.“
„So blöd wäre Sanducci doch nicht.“
Landsdown zog die Brauen fragend in die Höhe: „Und warum sollte ausgerechnet ein Fotograf ausgebuffter sein?“
Jimmy war ein Meister, wenn es um Porträts ging, und zwar weltweit. Eine Art männliche Annie Leibovitz. Jeder, der irgendwie etwas auf sich hielt, wollte von dem großen Sanducci fotografiert werden.
„Das mit den Fingerabdrücken weiß doch jeder Idiot“, sagte ich.
„Vielleicht war er breit. Vielleicht hatte er gerade erfahren, dass Ruthie dir alles hinterlassen wollte.“
Ich runzelte die Stirn. „Ruthie hatte doch gar nichts.“
„Die Nachbarn haben gehört, dass sie sich angeschrien haben. Dann ist Ruthie plötzlich tot, und Sanducci macht die Fliege. Fall gelöst.“
Jimmy hat nie jemanden angeschrien. Außer mich.
„Weißt du, wo er sich jetzt aufhält?“, drängte Landsdown.
„Gib ihr noch mal die Mütze“, befahl Hammond.
Ich wehrte mit der Hand ab. „So funktioniert das nicht. Ihr könnt mir nicht einfach sagen, was ihr wissen wollt, und dann liefere ich euch die Antwort. Ich bin doch keine Kristallkugel.“
„Was bist du denn?“
Auch wenn Landsdowns Stimme ganz neutral geklungen hatte, der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet ihn. Er hielt mich für eine Mutation, vielleicht sogar für einen Scharlatan.
„Das weiß ich selbst nicht so genau“, flüsterte ich. „Manchmal sehe ich Dinge, wenn ich einen Gegenstand oder einen Menschen berühre.“
„Aber nicht jedes Mal?“, wollte Hammond wissen.
„Nein.“
„Und diesmal wohl auch nicht. Lass uns gehen“, stöhnte Landsdown.
Ich verabschiedete mich noch nicht einmal, hörte nur, wie die Tür ins Schloss fiel, und dann, nur wenige Sekunden später, wie sich eine andere öffnete.
„Warum hast du es ihnen denn nicht gesagt?“
Die Stimme aus der Dunkelheit umflutete mich wie ein warmer Sommerwind und weckte Erinnerungen, die ich schon seit Jahren zu vergessen versuchte.
„Das weißt du doch, Jimmy. Sonst wärst du doch nicht hier.“
3
C ool Water, der herbe Duft von einer bestimmten Seife und Aftershave mit einem Hauch von Zimt, ich konnte Jimmy vom anderen Ende des Zimmers aus riechen. Er roch immer so, als habe er gerade frisch geduscht. Und meistens hatte er das auch.
Zweifellos ein Überbleibsel aus seiner Kindheit, in der es kaum Wasser und Seife gegeben hatte. Als Teenager hat er dann beides im Übermaß genossen, an manchen Tagen duschte er sogar drei- oder viermal. Mich hat nur gewundert, dass sich seine Haut nicht von ihm löste.
Ich biss mir auf die Lippen, damit nicht etwas herauskam, das ich später bereuen würde. Ich hasste ihn, und ich liebte ihn, beides zugleich. Wie eine
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