Die Physiker
»Aber natürlich.« Er schlendert gemächlich zum Kamin, legt seine Geige auf das Kaminsims, kehrt sich dann plötzlich um, einen Revolver in der Hand. »Mein bester Kilton.
Da wir beide, wie ich vermute, mit Waffen tüchtig umzugehen wissen, wollen wir doch ein Duell möglichst vermeiden, finden Sie nicht? Ich lege meinen Browning gern zur Seite, falls Sie auch Ihren Colt«
NEWTON: »Einverstanden.«
EINSTEIN: »Hinter das Kamingitter zum Kognak. Im Falle, es kämen plötzlich die Pfleger.«
NEWTON: »Schön.«
Beide legen ihre Revolver hinter das Kamingitter.
EINSTEIN: »Sie brachten meine Pläne durcheinander, Kilton, Sie hielt ich wirklich für verrückt.«
NEWTON: »Trösten Sie sich: ich Sie auch.«
EINSTEIN: »Überhaupt ging manches schief. Die Sache mit der Schwester Irene zum Beispiel heute nachmittag. Sie hatte Verdacht geschöpft, und damit war ihr Todesurteil gefällt. Der Vorfall tut mir außerordentlich leid.«
MÖBIUS: »Verstehe.«
EINSTEIN: »Befehl ist Befehl.«
MÖBIUS: »Selbstverständlich.«
EINSTEIN: »Ich konnte nicht anders handeln.«
MÖBIUS: »Natürlich nicht.«
EINSTEIN: »Auch meine Mission stand in Frage, das geheimste Unternehmen auch meines Geheimdienstes. Setzen wir uns ?«
NEWTON: »Setzen wir uns.«
Er setzt sich links an den Tisch, Einstein rechts.
MÖBIUS: »Ich nehme an, Eisler, auch Sie wollen mich nun zwingen - «
-5 1 -
EINSTEIN: »Aber Möbius.«
MÖBIUS: » - bewegen, Ihr Land aufzusuchen.«
EINSTEIN: »Auch wir halten Sie schließlich für den größten aller Physiker. Aber nun bin ich auf das Abendessen gespannt.
Die reinste Henkersmahlzeit.« Er schöpft sich Suppe. »Immer noch keinen Appetit, Möbius ?«
MÖBIUS: »Doch. Plötzlich. Jetzt, wo ihr dahintergekommen seid.«
Er setzt sich zwischen die beiden an den Tisch, schöpft sich ebenfalls Suppe.
NEWTON: »Burgunder, Möbius?«
MÖBIUS: »Schenken Sie ein.«
NEWTON (schenkt ein) : »Ich nehme das Cordon bleu in Angriff.«
MÖBIUS: »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
NEWTON: »Mahlzeit.«
EINSTEIN: »Mahlzeit.«
MÖBIUS: »Mahlzeit.«
Sie essen. Von rechts kommen die drei Pfleger, der Oberpfleger mit einem Notizbuch.
OBERPFLEGER: »Patient Beutler!«
NEWTON: »Hier.«
OBERPFLEGER: »Patient Ernesti!«
EINSTEIN: »Hier.«
OBERPFLEGER: »Patient Möbius!«
MÖBIUS: »Hier.«
OBERPFLEGER: »Oberpfleger Sievers, Pfleger Murillo, Pfleger McArthur.« Er steckt das Notizbuch wieder ein. »Auf Anraten der Behörde sind gewisse Sicherheitsmaßnahmen zu treffen.
Murillo, die Gitter zu.«
Murillo läßt beim Fenster ein Gitter herunter. Der Raum hat nun auf einmal etwas von einem Gefängnis.
OBERPFLEGER: »McArthur, schließ ab.«
-5 2 -
McArthur schließt das Gitter ab.
OBERPFLEGER: »Haben die Herren für die Nacht noch einen Wunsch? Patient Beutler?«
NEWTON: »Nein.«
OBERPFLEGER: »Patient Ernesti?«
EINSTEIN: »Nein.«
OBERPFLEGER: »Patient Möbius ?«
MÖBIUS: »Nein.«
OBERPFLEGER: »Meine Herren. Wir empfehlen uns. Gute Nacht.«
Die drei Pfleger ab. Stille.
EINSTEIN: »Biester.«
NEWTON: »Im Park lauern noch weitere Kolosse. Ich habe sie längst von meinem Fenster aus beobachtet.«
EINSTEIN (erhebt sich und untersucht das Gitter) : »Solid. Mit einem Spezialschloß.«
NEWTON (geht zu seiner Zimmertüre, öffnet sie, schaut hinein :
»Auch vor meinem Fenster mit einem Mal ein Gitter. Wie hingezaubert.«
Er öffnet die beiden andern Türen im Hintergrund.
NEWTON: »Auch bei Eisler. Und bei Möbius.« Er geht zur Türe rechts. »Abgeschlossen.«
Er setzt sich wieder. Auch Einstein.
EINSTEIN: »Gefangen.«
NEWTON: »Logisch. Wir mit unseren Krankenschwestern.«
EINSTEIN: »Jetzt kommen wir nur noch aus dem Irrenhaus, wenn wir gemeinsam vorgehen.«
MÖBIUS: »Ich will ja gar nicht fliehen.«
EINSTEIN: »Möbius – «
MÖBIUS: »Ich finde nicht den geringsten Grund dazu. Im Gegenteil. Ich bin mit meinem Schicksal zufrieden.«
Schweigen.
-5 3 -
NEWTON: »Doch ich bin nicht damit zufrieden, ein ziemlich entscheidender Umstand, finden Sie nicht? Ihre persönlichen Gefühle in Ehren, aber Sie sind ein Genie und als solches Allgemeingut. Sie drangen in neue Gebiete der Physik vor.
Aber Sie haben die Wissenschaft nicht gepachtet. Sie haben die Pflicht, die Türe auch uns aufzuschließen, den Nicht-Genialen. Kommen Sie mit mir, in einem Jahr stecken wir Sie in einen Frack, transportieren Sie nach Stockholm, und Sie erhalten den Nobelpreis.«
MÖBIUS: »Ihr
Weitere Kostenlose Bücher