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Die Physiker

Die Physiker

Titel: Die Physiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Geheimdienst ist uneigennützig.«
    NEWTON: »Ich gebe zu, Möbius, daß ihn vor allem die Vermutung beeindruckt, Sie hätten das Problem der Gravitation gelöst.«
    MÖBIUS: »Stimmt.«
    Stille.
    EINSTEIN: »Das sagen Sie so seelenruhig?«
    MÖBIUS: »Wie soll ich es denn sonst sagen?«
    EINSTEIN: »Mein Geheimdienst glaubte, Sie würden die einheitliche Theorie der Elementarteilchen - «
    MÖBIUS: »Auch Ihren Geheimdienst kann ich beruhigen. Die einheitliche Feldtheorie ist gefunden.«
    NEWTON ( wischt sich mit der Serviette den Schweiß von der Stirne) : »Die Weltformel. - «
    EINSTEIN: »Zum Lachen. Da versuchen Horden gut besoldeter Physiker in riesigen staatlichen Laboratorien seit Jahren vergeblich in der Physik weiterzukommen, und Sie erledigen das en passant im Irrenhaus am Schreibtisch.« Er wischt sich ebenfalls mit der Serviette den Schweiß von der Stirne.
    NEWTON: »Und das System aller möglichen Erfindungen, Möbius ?«
    MÖBIUS: »Gibt es auch. Ich stellte es aus Neugierde auf, als praktisches Kompendium zu meinen theoretischen Arbeiten.
    Soll ich den Unschuldigen spielen ? Was wir denken, hat seine Folgen. Es war meine Pflicht, die Auswirkungen zu studieren, die meine Feldtheorie und meine Gravitationslehre haben
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    würden. Das Resultat ist verheerend. Neue, unvorstellbare Energien würden freigesetzt und eine Technik ermöglicht, die jeder Phantasie spottet, falls meine Untersuchung in die Hände der Menschen fiele.«
    EINSTEIN: »Das wird sich kaum vermeiden lassen.«
    NEWTON: »Die Frage ist nur, wer zuerst an sie herankommt.«
    MÖBIUS (lacht) : »Sie wünschen dieses Glück wohl Ihrem Geheimdienst, Kilton, und dem Generalstab, der dahintersteht
    ?«
    NEWTON: »Warum nicht. Um den größten Physiker aller Zeiten in die Gemeinschaft der Physiker zurückzuführen, ist mir jeder Generalstab gleich heilig.«
    EINSTEIN: »Mir ist bloß mein Generalstab heilig. Wir liefern der Menschheit gewaltige Machtmittel. Das gibt uns das Recht, Bedingungen zu stellen. Wir müssen entscheiden, zu wessen Gunsten wir unsere Wissenschaft anwenden, und ich habe mich entschieden.«
    NEWTON: »Unsinn, Eisler. Es geht um die Freiheit unserer Wissenschaft und um nichts weiter. Wir haben Pionierarbeit zu leisten und nichts außerdem. Ob die Menschheit den Weg zu gehen versteht, den wir ihr bahnen, ist ihre Sache, nicht die unsrige.«
    EINSTEIN: »Sie sind ein jämmerlicher Ästhet, Kilton. Warum kommen Sie nicht zu uns, wenn Ihnen nur an der Freiheit der Wissenschaft gelegen ist? Auch wir können es uns schon längst nicht mehr leisten, die Physiker zu bevormunden. Auch wir brauchen Resultate. Auch unser politisches System muß der Wissenschaft aus der Hand fressen.«
    NEWTON: »Unsere beiden politischen Systeme, Eisler, müssen jetzt vor allem Möbius aus der Hand fressen.«
    EINSTEIN: »Im Gegenteil. Er wird uns gehorchen müssen. Wir beide halten ihn schließlich in Schach.«
    NEWTON: »Wirklich? Wir beide halten wohl mehr uns in Schach. Unsere Geheimdienste sind leider auf die gleiche Idee gekommen. Geht Möbius mit Ihnen, kann ich nichts dagegen
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    tun, weil Sie es verhindern würden. Und Sie wären hilflos, wenn sich Möbius zu meinen Gunsten entschlösse. Er kann hier wählen, nicht wir.«
    EINSTEIN (erhebt sich feierlich) : »Holen wir die Revolver.«
    NEWTON (erhebt sich ebenfalls) : »Kämpfen wir.«
    Newton holt die beiden Revolver hinter dem Kamingitter, gibt Einstein dessen Waffe.
    EINSTEIN: »Es tut mir leid, daß die Angelegenheit ein blutiges Ende findet. Aber wir müssen schießen. Aufeinander und auf die Wärter ohnehin. Im Notfall auch auf Möbius. Er mag der wichtigste Mann der Welt sein, seine Manuskripte sind wichtiger.«
    MÖBIUS: »Meine Manuskripte ? Ich habe sie verbrannt.«
    Totenstille.
    EINSTEIN: »Verbrannt?«
    MÖBIUS (verlegen) : »Vorhin. Bevor die Polizei zurückkam. Um sicherzugehen.«
    EINSTEIN (bricht in verzweifeltes Gelächter aus) : »Verbrannt!«
    NEWTON (schreit wütend auf) : »Die Arbeit von fünfzehn Jahren!«
    EINSTEIN: »Es ist zum Wahnsinnigwerden!«
    NEWTON: »Offiziell sind wir es ja schon.«
    Sie stecken ihre Revolver ein und setzen sich vernichtet aufs Sofa.
    EINSTEIN: »Damit sind wir Ihnen endgültig ausgeliefert, Möbius.«
    NEWTON: »Und dafür mußte ich eine Krankenschwester erdrosseln und Deutsch lernen.«
    EINSTEIN: »Während man mir das Geigen beibrachte: eine Tortur für einen völlig unmusikalischen Menschen.«
    MÖBIUS: »Essen wir nicht

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