Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
stemmte sich mit aller Kraft auf den Hammer.
Stunden später – die Frau des Küsters hatte sie inzwischen mit heißer Suppe, einer Unmenge belegter Brote und einer riesigen Kanne Tee versorgt – war immer noch kein sonderlicher Fortschritt in den Arbeiten zu erkennen, wie Pfarrer Diefenstein stirnrunzelnd bemerkte.
»So schnell geht das nicht, Herr Pfarrer«, keuchte Hellinger und schaufelte einen Berg Abraum in eine Schubkarre. »Wir müssen erst die Stelle finden, an der das Rohr gebrochen ist. Sehen Sie selbst, wie marode hier alles ist.«
Ein Blick auf die alten, verrosteten Eisenrohre genügte Pfarrer Diefenstein, um den Wahrheitsgehalt dieser Worte zu erkennen.
»Von wann sind eigentlich die Rohre?«, wollte Heinen wissen und schob sich eine weitere Zigarette in den Mundwinkel.
»Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich leite die Gemeinde hier seit fünfzehn Jahren, seitdem ist an den Rohren nichts verändert worden. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie bitten, hier nicht zu rauchen. Wir sind in einer ... äh, Kirche.«
Hellinger packte die Zigarette missmutig wieder weg, nahm sich aber vor, sie nochmal herauszuholen, wenn der Pfarrer sie verlassen hätte.
»Dem Alter und dem Zustand nach müssen die Rohre aus den 50er-Jahren stammen. Das Hauptrohr ist aus Eisen, die Nebenrohre sind aus Blei. So was verwenden wir schon lange nicht mehr«, sagte er und wies auf ein Stück freigelegten Rohres.
»Wo geht’s eigentlich da hin?«, wollte Heinen wissen und zeigte auf die kleine Gittertür.
»Das ist eine römische Ausgrabungsstätte, die muss unter allen Umständen vor dem Wasser geschützt werden. Sie stammt aus dem vierten Jahrhundert nach Christus, als hier noch keine Kirche, sondern ein römisches Landgut stand.«
Hellinger interessierte sich sehr wenig für solche archäologischen Schätze und meinte lakonisch: »Keine Sorge, Herr Pfarrer, wir tun unser Bestes. Da passiert schon nichts, machen Sie sich keine Gedanken. Und Sie werden sehen, bis Weihnachten sind wir fertig.«
Der Pfarrer murmelte irgendetwas von »Gottes Ohr« und verschwand zur Abendandacht.
Zwei Tage ging die Arbeit so fort, ohne dass für einen neutralen Beobachter wirklich größere Fortschritte auszumachen gewesen wären. Am Abend des dritten Tages verabschiedete sich Kollege Heinen frühzeitig. Die Arbeit mit dem Bohrer hatte ihn nämlich daran erinnert, dass auch noch ein Besuch beim Zahnarzt ausstand. »Geh nur«, hatte Hellinger ihm nachgerufen, »ich bohr das Stück bis zur Wand noch zu Ende, dann mach ich auch Schluss.«
Es war lange nach Feierabend, als er den schweren Bohrer gegen die Wand legte. Das gesamte Abflussrohr, das sich unter dem Boden der Krypta bis hin zur Außenwand erstreckte, war nun freigelegt. Das letzte Stück war merkwürdigerweise viel schneller gegangen, denn der Boden war hier sehr viel weicher gewesen und bot dem Bohrhammer entschieden weniger Widerstand.
Schwer atmend hockte Hellinger auf dem Boden und leerte seine letzte Wasserflasche. Ein Blick zur Uhr zeigte ihm, dass es schon nach 21.00 Uhr war. Zeit für den Feierabend. Aber eine letzte Zigarette noch! Voller Vorfreude angelte er sich eine Camel aus der Tasche, zündete sie an und inhalierte mit tiefem Zug – als es geschah.
Zuerst nur ein leichtes Beben des Bodens, verbunden mit einem grollenden Geräusch. Und dann, wie von Geisterhand, öffnete sich der Erdboden an der Stelle, an der eben noch der Bohrhammer gestanden hatte. Mit einem unheimlichen, schmatzenden Geräusch sog die Erde alles ein, was sich in ihrer Nähe befand: Der Bohrhammer, eine Sprudelflasche und diverse Werkzeuge verschwanden ins Nichts.
Ruckartig drehte Hellinger den Kopf, seine Zigarette fiel auf den Boden. Kalkweiß beobachtete er, was da geschah. Doch schon nach wenigen Sekunden herrschte unheimliche Ruhe. Nur eine leichte Staubwolke verriet noch etwas von dem, was sich gerade ereignet hatte.
Zögernd trat Hellinger näher, zündete sich mit zitternden Fingern eine neue Zigarette an. Seine Knie waren weich, das Gesicht aschfahl.
Vor ihm tat sich ein ovales Loch mit einem Durchmesser von fast einem Meter auf, die Tiefe war schwer zu bestimmen. Aber jedenfalls war es tief genug, dass man von dem verschwundenenBohrgerät nichts mehr erkennen konnte. Was war denn hier passiert? Er hockte sich an den Rand des Kraters und spähte hinein. Nichts zu sehen!
Davon hatte er schon gehört. War das Fundament zu alt oder nicht fest genug, oder war es – wie hier
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